Journalist Hans-Jörg Schmidt: Tschechen wissen noch zu leben, Deutsche leben für die Arbeit

Der deutsche Journalist Hans-Jörg Schmidt ist zwar schon sein ganzes Leben lang Borussia-Dortmund-Fan, aber sein wirkliches Zuhause ist für ihn Prag, in das er sich vor 30 Jahren verliebt hat.

🇨🇿 Tento článek si můžete přečíst i v češtině: Novinář Hans-Jörg Schmidt: Češi ještě umí žít, to Němci žijí pro práci 

Sie wurden in Deutschland geboren. Wie sind Sie beruflich und persönlich nach Tschechien gekommen?

Ich habe in der ehemaligen DDR, in Leipzig, Journalistik studiert und dann von 1978 bis 1989 im Rundfunk der DDR in Berlin als Redakteur gearbeitet. Später dann auf verschiedenen anderen Frequenzen, und wir hatten sogar einen Jugendsender, der hieß „DT64“. Nach der Wende hatte ich erstmals die Möglichkeit, das zu machen, wonach ich mich von Anfang an gesehnt hatte. Natürlich wollte ich auch Sportreporter werden, aber das blieb ein Traum. Nach der Wende konnte ich mich endlich der Auslandspolitik widmen und von Anfang an war mir klar, dass ich als Korrespondent in Prag arbeiten werde. Ich trat meinen Job am 2. Januar 1990 an, das war der Tag, an dem Václav Havel zum ersten Mal nach Deutschland kam, er war in Berlin und München und seine Pressekonferenz war damals mein erster Auftrag. Im Juni 1990 bin ich dann nach Prag gegangen. Ich konnte praktisch kein Tschechisch, ich wusste nur, dass „panierter Hermelin“ kein frittiertes Kleintier und ein „Spanisches Vögelchen“ auch kein Federvieh ist, sondern eine Roulade (lacht). Und ich wusste auch, dass Bier „pivo“ heißt. 

De facto war es ja so, dass ich auch vorher schon nach Prag fahren konnte und die Kollegen mich fragten, warum ich ausgerechnet nach Prag will, wenn die Tschechoslowakei mir doch immer offen gestanden hatte. Gerade darum, weil ich Prag kannte und das für mich immer die schönste Stadt Europas gewesen ist. 

Sie sind kurz nach der Samtenen Revolution nach Prag gezogen. Wodurch zeichnete sich diese Zeit für Sie aus?

Ich wollte vor allem deshalb nach Prag, weil ich im November 1989 im deutschen Fernsehen Aufnahmen vom Wenzelsplatz gesehen hatte. Dieser kleine Typ mit seinem riesigen Schnurrbart und seiner herausragenden, tiefen Stimme. Das war Havel. Ich habe kein Wort verstanden, aber ich sah die Atmosphäre, wie aufgeregt die Leute waren und mit den Schlüsseln geklimpert haben. Und ich dachte mir, mit diesem Havel muss ich ein Interview machen, natürlich ein exklusives. Dann bin ich nach Prag gekommen und habe den Außenminister angesprochen, ich war bei der Regierung und auf der Burg und sagte ihnen, dass ich eigentlich nur deswegen in Prag bin, um ein Interview mit dem Herrn Präsidenten zu machen. „Kein Problem, Herr Schmidt, wir notieren uns Ihren Wunsch.“ Und dann habe ich sieben Jahre gewartet.

Später dann, als ich das Interview wirklich gemacht hatte, sagte ich mir, dass ich eigentlich nach Deutschland zurückkehren könnte. Aber hier ist es so schön, dass ich lieber geblieben bin.

Womit haben Sie die Tschechen überrascht?

Als ich hierhergekommen bin, hat mich überrascht, dass es kein Klopapier gab, keine Kartoffeln, und es hat bestimmt noch etwas gefehlt (lacht). Aber nein, ich hatte so eine Vorstellung, dass alle Tschechen so wie Havel sind, dass sie alle auf der Metro-Rolltreppe ein Buch in der Hand halten und lesen. Aber dann habe ich gesehen, dass die Leute solche Boulevard-Zeitungen wie Blesk kaufen, und ich war völlig fertig. Ich sagte mir – das ist doch nicht möglich, das sind nicht meine Tschechen, das soll ein kultiviertes Volk sein, was machen die da (lacht)? Das war eine Überraschung für mich. 

Aber ansonsten kannte ich das Land und die Anfänge waren für mich sehr schön. Natürlich hatte ich ein Problem mit der Sprache, das habe ich bis heute. Sie müssen sich auch vorstellen, dass Havel nicht wie ein normaler Politiker sprach, er redete wie ein Schriftsteller und ich musste für das Radio damit arbeiten, was er sagte. Und dabei verstand ich das überhaupt nicht. Am Anfang hatte ich eine Dolmetscherin, die mir das erklärte, aber manchmal hatte ich den Eindruck, dass ich trotzdem überhaupt nicht weiß, wovon ich spreche, was sehr gefährlich ist. Aber ansonsten ging das. 

Welcher Moment war für Sie am anspruchsvollsten, seit Sie nach Tschechien gezogen sind?

Das war vermutlich die Nachricht, dass Präsident Havel gestorben ist. Damals wohnte ich nicht in Prag, sondern auf einem Bauernhof im Böhmischen Mittelgebirge, was furchtbar war, aber gleichzeitig auch schön. Meine damalige Freundin kam an diesem Tag angerannt und rief, dass Havel gestorben sei. Also habe ich die Redaktion in Berlin angerufen und wir haben überlegt, was wir jetzt machen, denn irgendetwas mussten wir ja tun. Die Wahrheit ist, ich hatte so einen Text schon in der Schublade liegen, das muss man als Journalist. Havel war schon lange krank gewesen und es war klar, dass er nicht ewig leben wird. Also habe ich mich auf diesen Text konzentriert, ihn noch einmal überarbeitet und in die Redaktion geschickt. Dann war ich aber natürlich auch neugierig, was die Konkurrenz schreibt, die übrigen Zeitungen. Havel starb an einem Sonntag, und ich habe mir am Montag alle Ausgaben angesehen und mir gesagt: „ja, das war gut“. Es war anstrengend, aber auch gut, weil Havel etwas Besonderes war – und bis heute ist. Für mich war das der einzige wirkliche tschechische Präsident, der Rest, tut mir leid, taugt nichts. Daher wollte ich den Text so schön wie möglich schreiben, weil er das verdient hatte.

Sie haben bereits gesagt, wie schwer es war, in ein anderes sprachliches Umfeld einzutauchen. Was war das Schwierigste daran? 

Die Grammatik, die versteh ich bis heute nicht (lacht). Das meine ich natürlich nicht absolut ernst. Für mich war es am wichtigsten, dass ich eigentlich alles verstehe, dass ich Zeitungen, Radio und Fernsehen verstehe. Ich bin auch auf einen schönen Trick gestoßen, wenn ich Fernsehen gucke. Ich habe festgestellt, dass es Untertitel für Hörgeschädigte gibt, und weil ich die Sachen besser verstehe, wenn ich sie geschrieben sehe, habe ich mir vor allem die Untertitel angesehen, und das hat mir das ganz schön erleichtert. Ansonsten spreche ich so genanntes Kneipentschechisch. 

Ich habe auch eine Weile beim Rundfunk gearbeitet, was sehr anspruchsvoll war, weil dort erwachsene Zuhörer waren, keine Idioten, sondern Menschen, die sehr genau zuhören. Ihre Reaktionen waren interessant, weil mir niemand gesagt hat, dass mein Tschechisch schlecht sei, dass das nicht gehe. Ganz im Gegenteil, sie schrieben, dass mein Tschechisch dafür, dass ich ein Deutscher sei, bewundernswert sei, weil sie selbst wussten, wie schwer die Sprache ist. Das hat mich natürlich gefreut, aber mich stört immer noch, dass ich doch schon so lange hier bin und immer noch so spreche. Am wichtigsten ist für mich, dass ich täglich Kontakt mit meinen Nachbarn habe, das ist hervorragend. Und wenn wir außerdem noch etwas zu trinken haben, ist das noch viel besser (lacht).

Woran denken Sie als erstes, wenn man „Prag“ sagt?

Zuhause, meine zweite Heimat. Denn wenn ich Prag jetzt verlassen müsste, wäre das mein Ende. Ich bin seit dreißig Jahren hier und glücklich. Ich war damals mit meiner Frau ein Jahr hier, sie musste dann mit unserer Tochter wieder zurück nach Deutschland. Als sie mich dann angerufen hat, sagte sie mir, dass sie nie wieder nach Prag zurückkehren würde, weil sie noch so einen Weggang nicht aushalten würde. Das war das schönste Jahr, das wir erlebt haben. 

Ich bin hier schon so lange, dass ich auf Tschechisch denke, ich träume auf Tschechisch. Ich weiß, dass viele Sachen nicht funktionieren, zum Beispiel ist der Spargel skandalös, und das ist für Deutsche sehr wichtig. Ich weiß auch, dass der tschechische Fußball eine Katastrophe ist. Ich bin ein Fan von Borussia Dortmund, ich habe eine Satellitenschüssel und sehe mir die Spiele im deutschen Fernsehen an. Aber ansonsten bin ich hier zu Hause. Ich bin sechzehn Jahre lang jedes Wochenende nach Deutschland zu meiner Frau gefahren und am Sonntagabend wieder zurück. Und als ich hier ankam, sagte ich mir, endlich bin ich zu Hause. Meine Frau hat das nie begriffen, sie sagte mir, du bist doch in Deutschland zu Hause, aber so war das nicht, ich habe dort nur meine Wochenenden verbracht. 

Was erweckt in Ihnen das stärkste Heimatgefühl?

Das ist so eine Mischung. Also zum einen sind sich Tschechen und Deutsche sehr ähnlich, also ist es für Deutsche sehr einfach, hier zu leben. Ein Problem ist natürlich die Sprache. Aber ansonsten – das Bier ist gut, die Mädchen sind hübsch. Es ist blöd, das so zu sagen, aber es stimmt. Die Leute sind intelligent, sie sind geschickt, sie sind etwas anders als die Deutschen, weil sie nicht so viel planen, sie sind flexibel und sitzen nur ungern dreimal täglich im Meeting und überlegen, was wie gemacht wird. Die Tschechen gehen einfach los und machen. Sie machen auch keinen so großen Zirkus um ihre Person. Tschechen können auch noch normal leben, und ich hoffe, das hält. Die Deutschen leben für die Arbeit. Ich möchte neben der Arbeit auch leben und ich weiß, dass das in Prag wesentlich besser geht als in Deutschland, und es ist ganz egal, wo. 

Was halten Sie für den größten Fortschritt in den Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen?

Wissen Sie, ich bin ein Mensch, dem wenig zum Glücklichsein ausreicht. Ich habe lange gedacht, dass alles super ist, die Politiker sagten, wir haben die schönsten Beziehungen aller Zeiten. Derzeit bin ich da kein großer Optimist, auf der anderen Seite müssen wir uns nicht dauernd erzählen, dass wir uns als Tschechen und Deutsche supergern haben. Das muss nicht sein. Wir müssen nur gemeinsam normal leben. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich einen Kommentar geschrieben, in dem ich erwähnte, dass diese normalen Alltäglichkeiten wichtig sind, die wir gemeinsam haben. Und das ist eigentlich eine Arznei gegen den Nationalismus. Leider haben wir noch keine Arznei gegen Corona, aber wir haben eine Arznei gegen den Nationalismus. Wir brauchen die alltäglichen Treffen, und brauchen überhaupt keine geschlossenen Grenzen, das ist Blödsinn. 

Wie nehmen Sie persönlich die Entwicklung des Journalismus in Tschechien und in der Welt wahr?

Dazu muss ich sagen, dass ich jeden Morgen ungefähr ab fünf alle tschechischen und slowakischen Pressekommentare lese, damit ich einen Überblick bekomme. Das mache ich schon seit mehr als fünfzehn Jahren, und so sehe ich, in welche Richtung sich die Kommentare entwickeln. Das Niveau hier in Tschechien wird immer schlimmer. Die Zeiten, in denen Mladá fronta DNES zu den seriösen Zeitungen gehörte, sind schon längst vorbei. Das ist eine Katastrophe. Hier gibt es vielleicht noch zwei Zeitungen, die funktionieren, und das sind Hospodářské noviny und Lidové noviny. Den Rest kann man abschreiben. Und das ist ein großes Problem. Das Problem begann gleich nach der Wende. Die eingesessenen Journalisten, die hier arbeiteten, wollte niemand mehr, aber die neuen hatten keine Ausbildung, sie hatten Journalismus nicht gelernt und machten anfangs Propaganda. Propaganda für Havel, für Dienstbier und so weiter, so war das, und das war auch in Ordnung und notwendig. Diese Leute haben sich Schritt für Schritt verbessert und die Qualität nahm zu, aber jetzt sind sie in Rente und es ist nichts Neues dazugekommen. Ich bin zurückhaltend und kann nicht beurteilen, was in der Hochschuljournalistik passiert, aber meiner Meinung nach ist das eine Katastrophe. Der Tschechische Rundfunk – so ein herausragender Rundfunk mit hervorragenden Korrespondenten – hat grauenhafte Kommentatoren. Glücklicherweise arbeiten dort auch Leute, die normalerweise für die Zeitung arbeiten, aber die Leute direkt vom Rundfunk, das ist furchtbar. Das tschechische Fernsehen bringt überhaupt keine Kommentare. Warum? Ich weiß natürlich, dass der politische Druck auf den öffentlichen Rundfunk und das öffentliche Fernsehen groß ist und den Leuten automatisch so ein Schwert über dem Kopf schwebt – sie wissen genau, was man besser nicht schreiben sollte. Aber das geht nicht. 

Zu den Zeitungen muss ich noch sagen, dass die größten Probleme hier anfingen, als die deutschen Herausgeber von Mladá fronta, Lidové noviny, Deník, Hospodářské noviny usw. ihre Zeitungen an Oligarchen verkauften. Und es ist egal, ob der nun Bakala oder Babiš heißt. Die Tschechen haben immer gern gesagt, dass das deutsche Zeitungen seien, dass deren Chefs Deutsche seien und dass das ganz furchtbar sei, aber der Witz daran ist, dass zum Beispiel der deutsche Chef der Mladá fronta und der Lidové noviny kein Wort Tschechisch verstanden hat. Er hat das nie gelernt und auch nie Interesse daran gehabt. Niemand hat dort irgendjemandem vorgeschrieben, was er schreiben soll und warum, oder gar, dass das pro-deutsch sein sollte. Der Fehler der Deutschen war aber, dass sie sich überhaupt nicht angeschaut haben, wer Babiš ist, wer Bakala ist, und sie haben ihnen die Zeitungen nur deshalb verkauft, weil sie am meisten dafür boten. Das war ein unglaublicher politischer Fehler, aber es zeigt auch wieder, dass Geschäftsleute überhaupt nicht politisch denken. Sie schauen nur aufs Geld, und so sieht die Zeitung dann auch aus. Damit bin ich überhaupt nicht zufrieden. Das Niveau ist grottig und ich glaube, das wird nur noch schlimmer. 

Neben dem Journalismus haben Sie auch eine enge Beziehung zur Literatur. Welches Gebiet zieht Sie am meisten an?

Ich muss sagen, dass ich überhaupt keine Zeit habe zu lesen. Meinen Tag fange ich damit an, dass ich die Kommentare lese, dann schreibe ich meine eigenen Texte für die Redaktionen, ich mache ihnen Angebote und warte auf Antworten, dann muss ich recherchieren, Zeitungen lesen usw. Also habe ich schon seit langem keine Zeit für Bücher. Ich muss sagen, dass ich abends lieber irgendwelchen Blödsinn im Fernsehen angucke, damit ich etwas Ruhe habe und mich abreagieren kann. 

Im Schlafzimmer habe ich ein Bücherregal, in dem ungefähr 800 Bücher auf Tschechisch und Slowakisch stehen. Ich habe keins davon gelesen. Ich weiß wirklich nicht, was ich damit machen soll, niemand will sie. Weil ich selbst ein paar Bücher geschrieben habe, kann ich kein Buch wegwerfen, da steckt viel Arbeit dahinter. 

Wer hat Ihnen bei Ihrem Anfang in Prag am meisten geholfen?

Das war Frau Novotná. Sie war im gleichen Jahr geboren wie Elisabeth II., und sie liebte die britische Königin. Als ich eine Dolmetscherin gesucht habe, kam sie zu mir und sagte: „Guten Tag, ich heiße Novotná und ich weiß, dass ich bei Ihnen keine Chance habe. Zum einen bin ich alt, zum anderen galt ich bei den Kommunisten als nicht vertrauenswürdig und musste dauernd meine Arbeit wechseln. Ich war auf der amerikanischen und der britischen Botschaft, aber ich musste jedes Mal weg. Ich arbeite jedoch immer noch gern und denke, dass ich Ihnen wirklich helfen könnte. Sie sprach zehn verschiedene Sprachen – unglaublich. Natürlich übersetzte sie Sachen für mich, aber in erster Linie hat sie mir wirklich viel über die erste Republik beigebracht. 

Das war eine alte Dame, die so einen merkwürdigen Dutt trug und ihn jedes Mal anders geschmückt hatte. Auch unglaublich fleißig. Montags begannen wir die Woche damit, dass wir ein Schnäpschen getrunken haben, am Dienstag war die Lage schlimm, weil das Wochenende noch weit weg war, also haben wir ein Schnäpschen getrunken. Am Mittwoch haben wir die Wochenmitte gefeiert, am Donnerstag, dass das Wochenende näher rückt und am Freitag haben wir den ganzen Tag von Anfang an gefeiert. So war das einfach, aber es war wunderschön. Eine unglaubliche kleine Dame, die mir viel beigebracht hat. Insbesondere über die Dinge, von denen man nicht in der Zeitung liest. Sie ist jeden Morgen mit der Metro, der Straßenbahn und dem Bus gefahren, um zu mir ins Büro zu kommen, und sie hat mir immer erzählt, worüber sich die Leute dort unterhalten haben, was für Journalisten unglaublich wichtig ist. Sie hat lange bei mir gearbeitet, aber wir haben uns eher unterhalten, als das sie übersetzt hätte (lacht).  

Wie hat sich Ihre Werteskala im Laufe der Jahre geändert und was steht derzeit dort am höchsten?

Ich wollte meine Arbeit immer ordentlich machen. Mich hat es gestört, als in Deutschland die Proteste gegen die Presse und gegen Journalisten begannen. Man muss dazu sagen, dass ein normaler Artikel nicht das gleiche ist wie ein Kommentar. Mich stört immer, wenn in deutschen Zeitungen ein Kommentar als Artikel präsentiert wird. Ein Kommentar ist ein Kommentar, das weiß jeder. Wir brauchen die Arbeit der Journalisten. Das Internet ist toll, aber niemand weiß, was wirklich wichtig ist. Dafür gibt es Journalisten, die das jeden Tag herausfinden, die genügend Informationen haben, um auszuwählen, was wirklich wichtig ist. Ich sehe mir auch die Arbeit meiner Kollegen sowohl hier als auch in Deutschland sehr kritisch an. Ich habe lange darüber geredet, welche Probleme der Journalismus in Tschechien hat, aber in Deutschland ist das nicht besser. Das liegt vielleicht daran, dass ich schon älter bin, aber ich habe so ein Ideal von der Journalistenarbeit, die funktionieren soll, die eine Aufgabe und einen Sinn hat. Dafür werde ich immer kämpfen. 

Wer hat Sie am meisten beeinflusst?

Ich habe kein Vorbild. Ich habe immer Egon Erwin Kisch, Franz Kafka und Karel Čapek bewundert, aber wir leben jetzt in einer anderen Zeit, die sehr schnell ist. Wir haben jetzt Leute wie Trump. Das ist wirklich nicht einfach. De facto müssen wir immer nachschauen, ob die Welt, die wir kennen, noch steht. Das schreibe ich den Leuten gern, mit denen ich in Briefwechsel stehe: „Ganz ruhig, Prag steht noch. Die Burg ist noch da, wo sie sein soll.“ Aktuelle Vorbilder gibt es für mich aber nicht. Ich möchte einfach meine Arbeit ordentlich machen, und das reicht mir. Ich bin der deutsche Journalist, der praktisch am längsten in Prag ist, also rufen mich die neuen deutschen Journalisten an und fragen mich, wie ich das machen würde. So soll das sein (lacht).

Was machen Sie derzeit am liebsten?

Ich widme mich meinem Kater und freue mich unglaublich, dass die deutsche Bundesliga nach Corona als erste in der Welt wieder spielt – auch wenn es noch nicht ganz das Richtige ist. Ich bin schon seit fünfzig Jahren Borussia-Dortmund-Fan, daher ist das für mich wichtig. Ich habe im Garten eine Fahne, die ich aber abgenommen habe, als wir nicht gespielt haben. Jetzt ist sie wieder da, und der kleine, unauffällige Garten sieht wieder ganz anders aus.

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