Bohdan Pomahač

In den Vereinigten Staaten gibt es nur wenige Spezialisten-Teams, die in der Lage sind, ein ganzes Gesicht und Gliedmaßen erfolgreich zu transplantieren. Der plastische Chirurg von Weltformat Bohdan Pomahač ist einer davon.

Welche Eigenschaften haben Ihnen zum Erfolg verholfen?

Sich nicht mit anderen vergleichen und damit rechnen, dass man es 10x versuchen muss, bevor es gelingt. Als ich klein war, sagte mein Großvater mir immer, Geduld sei der letzte Schlüssel, um die Tür zum Erfolg aufzustoßen. Er hatte völlig recht.

Was ist für Sie die stärkste Triebkraft?

Ein inneres Feuer, Unrast.

Wie sind Sie zu Ihrem Fach gekommen und was wollten Sie als kleiner Junge werden?

Ich habe davon geträumt, Pilot zu werden. Aber ab der 7. Klasse der Grundschule musste ich eine Brille tragen, was damals ausreichte, nicht zugelassen zu werden. Etwa ab der 8. Klasse wollte ich dann Arzt werden, Chirurg. Die Chirurgie hat mich immer gereizt. Sie erschien mir sinnvoll und das Medizinstudium eine Herausforderung.

Wo fühlen Sie sich zu Hause und was für ein Verhältnis haben Sie zu Ihrer Heimatstadt?

Ich bin Tscheche, aber fühle mich in den USA zu Hause. Ich habe hier meine engere Familie, Arbeit und Freunde. Ich denke, das ist normal so. Ostrava besuche ich gern. Die Stadt scheint sich neu definieren zu wollen, vieles wird besser und Ostrava immer schöner.

Alle Geschichten von Menschen, die Sie zur Transplantation auswählen, sind sehr beeindruckend. Trotzdem die Frage – war jemand dabei, dessen persönliche Einstellung zum Eingriff Sie nicht vergessen können?

Wissen Sie, jeder ist anders. Ich müsste mir wohl alle 9 Patienten anschauen, um fair zu sein. Zuletzt hat mich Robert am meisten überrascht, unser letzter Patient, der den ersten Spender, den ich ihm nach monatelangem Warten telefonisch angeboten habe, ablehnte. Ehrlich gesagt, war ich froh, weil der Spender zwar schwarzer Hautfarbe, aber nicht schwarz genug war. Das Ergebnis hätte bizarr gewirkt. Oder Carmen, die ihrem früheren Mann verzeihen konnte, obwohl er sie derart verstümmelt hatte. Ich möchte nicht, dass es gefühllos klingt, aber im Allgemeinen versuche ich, mit nicht mit den Tragödien zu befassen, die meine Patienten durchlaufen haben. Dafür gibt es Experten, und ich kann dabei nicht sonderlich behilflich sein. Ich bin Fachmann für andere Dinge, wo ich helfen kann, und darauf konzentriere ich mich.

Glauben Sie an Gott, das Schicksal oder nur an sich selbst?

Da fällt mir spontan der Satz von Jára Cimrman ein: „Ich bin vorbehaltloser Atheist, so dass ich fast befürchte, der Herrgott wird mich einmal dafür bestrafen“. Aber im Ernst, ich habe den Eindruck, dass meine gesamte Generation aufgrund des kommunistischen Regimes, in dem wir aufgewachsen sind, atheistisch ist. Das geben wir auch an unsere Kinder weiter. Gleichzeitig hat das Tempo der heutigen Welt zugelegt. Durchschnittlich macht ein Chirurg in unserem Krankenhaus zweimal mehr Operationen als vor 25 Jahren. Damit verbunden ist auch eine größere Zahl von Patienten, die er in der Ambulanz sehen muss, usw. Burnout ist ein häufiges Thema in der heutigen Welt, weil trotz einer höheren Arbeitseffektivität ein Limit existiert, das ein Einzelner zu bewältigen vermag. Logisch, dass der Mensch ein Gleichgewicht finden muss, ob Religion, Meditation, beruhigende oder die Entspannung fördernde Aktivitäten und Ähnliches. Ich stehe hier eher am Anfang dieser Erkenntnis.

Was haben Sie bei der ersten Gesichtstransplantation empfunden und wie haben Sie sich auf den medial verfolgten Eingriff vorbereitet?

Das war stressig. Praktisch jede Bewegung und jedes Wort wurden aufgezeichnet, wobei ich nicht wusste, was davon in der Boston Med Story im Fernsehen möglichweise verwendet wird. Keine hatte eine Ahnung, wie alles ausgeht. Es hätte auch ein Desaster quasi mit Live-Übertragung werden können. Ich habe die ganze Zeit versucht, nicht an die Medien zu denken und ihre Anwesenheit auszuschalten. Unter chirurgischem Aspekt ist man bemüht, alle möglichen Alternativen eines Problems und ihre Lösungen zu berücksichtigen. Es ist schwer, das nicht Abschätzbare einzuschätzen, so dass wir ständig Ersatzlösungen in petto hatten. Der Druck war riesig.

Menschen, die zu Ihnen kommen, sind nach Unfällen persönlich durch die Hölle gegangen und waren wahrscheinlich auch in psychologischer Betreuung. Wie kommen sie dann mit einem neuen Gesicht oder Händen zurecht? Kann das manchmal auch schwierig sein oder ist da nur noch Freude?

Hände sind etwas anderes als das Gesicht. Auf die Funktion der Hände müssen Patienten vielfach 6-9 Monate warten, je nachdem, wo die Gliedmaße amputiert worden ist. Aufgrund der Länge von Ober- und Unterarm zieht sich die Regeneration der Nerven ziemlich hin. Insbesondere bei einer Transplantation oberhalb des Ellbogens. Gerade aufgrund der Länge, die der regenerierende Nerv zurücklegen muss, kommt es häufig zur Muskelatrophie an der Hand und kehrt die Feinmotorik nicht mehr zurück. Die Patienten müssen sich in Geduld üben und verbringen viel Zeit mit Physiotherapie. Das Gesicht sieht kurz nach der OP recht passabel aus, einige Funktionen sind beim Patienten praktisch sofort wiederhergestellt (Geruchssinn, relative Normalität). Es macht Freude, Fortschritte und einen gesunden Patienten zu sehen.

Inwieweit verfolgen Sie das weitere Schicksal Ihrer Patienten nach einer Transplantation?

Um ehrlich zu sein, versuche ich nicht, mich in ihr Leben einzumischen. Wenn sie keine gesellschaftlichen, familiären oder persönlichen Probleme haben, mit denen sie zu mir kommen, frage ich sie nicht danach. Meist endet dieses Thema mit meiner Frage, ob zu Hause und auf Arbeit alles in Ordnung ist. Natürlich ändert die Operation nichts daran, wie es im Innern der Menschen aussieht.

Für wen ist in den Vereinigten Staaten ein solcher Eingriff möglich?

Aktuell für jedermann. Wir haben Mittel auch für den Transport des Patienten zum Screening in unser Krankenhaus von jedem Ort in den USA aus, vor Einbeziehung in die Studie.

Gibt es noch andere Optionen, wenn das neue Gesicht nicht angenommen wird?

Die sogenannte Rejektion (Abstoßungsreaktion) tritt hier im Vergleich zu transplantierten Organen weitaus häufig auf. Wir sind aber in der Lage, sie durch erhöhte Gabe von die Abwehrreaktion unterdrückenden oder anderen vorrübergehend verabreichten Medikamenten zu vermindern. Die chronische Abstoßung ist ein großes Problem, und die Patienten müssen logischerweise genauso wie bei transplantierten Organen mit einer begrenzten Lebensdauer des verpflanzten Gesichts rechnen. Ob es sich um 10, 15 oder 20 Jahre handelt, wissen wir nicht, jedoch ist äußerst wahrscheinlich, dass das Gesicht oder die Hände nicht für immer ihren Dienst tun werden.

Ihr Traum als Chirurg?

Alle Komplikationen ausschalten. Zwar unmöglich, aber dieses Ziel sollte man ständig im Blick haben.

Ihr größter persönlicher Wunsch?

Damit die ganze Familie gesund bleibt – das ist am wichtigsten, und einige weitere, die ich aber für mich behalten möchte.

Studierte an der Medizinischen Fakultät der Palacký-Universität in Olomouc und absolvierte einen Studienaufenthalt an der Harvard Medical School in Boston. Seit 2004 arbeitet er am Brigham and Women’s Hospital. in einer eigenen Praxis für rekonstruktive plastische Chirurgie. 

Foto: Karin Zadrick

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