Eliška Bartek — Tessin — Welt

Was mir einfällt, wenn ich den Namen Eliška Bartek höre? Eine attraktive Frau, Malerin, Grafikerin, Fotografin, Schriftstellerin, Diva, ein Freund, mit dem man durch dick und dünn gehen kann, eine Muse – eine Lebenskünstlerin. Wo soll ich anfangen?

„Ich bin nirgendwo zu Hause, ich bin wie ein Baum ohne Wurzeln, aber wenn ich irgendwohin komme, versuche ich schnell, mich anzupassen. Als ich ein Jahr lang in China lebte, studierte ich nicht nur das Brauchtum, sondern begann auch, Chinesisch zu lernen.“ Diese Worte erklären ihre Theorie, warum die Tschechen überall auf der Welt erfolgreich sind – sie sind nämlich in der Lage, sich schnell anzupassen. „Dadurch wird man kosmopolitisch. Und wenn die Tschechen außerdem den Kleinsinn vergessen würden, den sie in sich tragen, könnten sie es wirklich sehr weit bringen.“

Eliška floh 1972 nach Westdeutschland. „Keiner hat es gewusst. Ich konnte mich weder von meiner Schwester, noch von den Eltern verabschieden. Ich war in einem winzigen Versteck im umgebauten Kofferraum eines Mercedes gezwängt. Dort lag ich fünf Stunden lang und konnte mich nicht einmal an der Nase kratzen. Sie fanden mich nicht, obwohl sie das Auto durchsuchten. Alles ging gut, nur dass ich mit dem Trauma jahrelang in psychologischer Behandlung war.“ Goldene Zeiten warteten in Deutschland aber nicht auf sie. „Ich hatte damals überhaupt nichts. Nur das Verlangen, Künstlerin zu werden. Und die Kunst half mir letztendlich tatsächlich dabei, ins Leben zurückzukehren.“ Vor der Kunst hat sie großen Respekt, meint aber, dass man sie nicht lernen kann. „Man muss als Künstler geboren werden, muss eigene Visionen haben und im Kopf: ‚Ich werde einmal ein Künstler.“

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Noch in Prag legte sie Prüfungen an der Theaterhochschule DAMU ab und spielte sogar in einem Film mit Magda Vášáryová. Der Film wurde aber verboten, und keiner hat ihn je gesehen. Noch in Prag verliebte sie sich in einen Deutschen, der das Versteck im Auto vorbereitete. Ihre Depressionen führten aber dazu, dass sie sich kurz nach dem Eintreffen in Deutschland von ihrem Freund trennte. Er liebte sie aber so sehr, dass er die Trennung nicht verkraftete und Selbstmord beging. Für Trauer hatte sie aber überhaupt keine Zeit, und den täglichen Kampf ums Überleben wird sie nie vergessen. „Ich war eine Frau, frei, Künstlerin und allein. Ich musste Geld verdienen. Ich arbeitete in einer Bar, scheuerte Fußböden, war Assistentin in einer Kanzlei und sogar Laborantin. Tagsüber arbeitete ich, in der Nacht malte ich. Damals halfen mir viele fremde Menschen, vor allem Deutsche.“ Das Helfersyndrom ist ihr aus jener Zeit geblieben. Als Revanche dafür, wie viele Menschen damals ihr geholfen haben.

Sie studierte an der Kunstgewerbeschule Form und Farbe in Zürich. Dann kam es zu der schicksalhaften Begegnung – sie traf Professor František Mitaček, der an ihr Talent glaubte. „Bei ihm habe ich mehr als an jeder Hochschule gelernt.“ Eine große Chance erhielt sie, als sie Alena Adlung, tschechische Galeristin in New York, traf. Sie gab ihr die Möglichkeit, Bilder in ihrer Galerie auszustellen. Und dann klopfte die Karriere an die Tür. Ausstellungen in Salzburg, Sankt Petersburg, Rom und Tokio. Von den Chinesen bekam sie ein Stipendium und lebte ein Jahr lang in Peking. „Hier erwarb ich Erfahrungen mit Arbeiten auf Büttenpapier und vertiefte meine Liebe zum Aquarell. Wenn Du etwas schlecht machst, ist es für immer schlecht. Du kannst von vorn anfangen. Es trainiert dich, eine feste und sichere Hand zu haben.“

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Ihre Bilder nennt sie „Seelenlandschaften“. Weil sie nicht mit dem Auge, sondern mit ihrem Innern malt. Und Menschen, die eine Seele haben, kaufen sie dann. „Jedes meiner Bilder ist mein Kind. Ich lebe in diesen Bildern, und deshalb bleibe ich mit ihnen auch weiterhin zu Hause. Keiner hat auf der Welt so viele Kinder wie ich…“

Ich liebe ihre Fotografien mit Blumenmotiven. Morphologische Details des Blütenstempels, Staubblattes, Kelchs oder Kronblatts. Nicht umsonst hat die feministische Zeitschrift Emma ihre Fotografie zu einem Artikel über Sex als Titelseite gewählt. Eliška sammelt im Garten weiße Blüten, belichtet sie mit farbigem Licht und hält sie auf dem Höhepunkt ihrer Schönheit auf einem Foto fest. Diese Fotos sind nicht nur schön, sondern auch bedrohlich und eindringlich, eigentlich so, wie Eliška selbst. 160 Zentimeter hoch, präzise, animalisch. Jedes von ihnen zieht einen wie ein Irrlicht in seinen Bann.

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Seit Jahren ist Eliška Bartek als eine von wenigen tschechischen Künstlern regelmäßige Teilnehmerin der Kunstmesse Art Basel. „Es ist egal, wo du eine Galerie hat, aber du musst an Kunstmessen teilnehmen. In der Galerie verkaufen sie mir zehn Prozent, alles andere spielt sich auf Messen ab. Die in Basel ist die größte, dorthin kommen Sammler aus der ganzen Welt.“

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Vor drei Jahren machte sie einen weiteren für ihr Leben wichtigen Schritt. „Ich hatte genug von Berlin, habe zwanzig Jahre dort gelebt, und Berlin hat sich sehr verändert. Ich sagte zu meiner Schwester in Prag: Einmal, wenn ich alt bin, möchte ich im Tessin leben. Meine Schwester schaute mich an und sagte: Aber du bist doch alt. Da wurde mir bewusst, dass ich bald siebzig werde, und wenn ich etwas ändern will, muss ich es schnell tun. Im Kanton Tessin, im Örtchen Maggia, wo früher der bekannteste Kurator Harald Szeeman lebte,  fand ich ein Atelier, und wieder hat mich die Muse geküsst“, erzählt Eliška, die mit dem Hund der Nachbarn zu Spaziergängen aufbrach und eine derartige Schönheit der Landschaft entdeckte, dass sie erneut ihre Aquarelle zu malen begann. Sie malte insgesamt sechzig und unterteilte sie nach den vier Jahreszeiten. Im Herbst erscheinen sie im Buch „Diario di Maggia“. „Die Aquarelle sind Ausdruck meiner Gefühle, dessen, wie ich die Natur sehe. Wenn ich etwas Schönes ansah, sagte ich mir: Das ist eine Pracht, das muss ich mir merken. Und so kehrte ich zum Aquarell zurück.“

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Wenn ich frage, wie es ihr jetzt geht, blickt sie mich mit ihrem salomonischen Lächeln an. Sie nimmt eine Zigarette und sagt: „Weißt du, ich war drei Mal verheiratet, aber ich muss feststellen, dass ich mich jetzt mit mir allein nicht langweile. Die besten Dinge entstehen in der Einsamkeit.“

Sie begleitet mich zum Auto. Vor dem Haus überlege ich im Geiste, wer die Blumen an dem Baum auf der Straße wohl gepflanzt hat. „Das war ich. Ich bin wieder für ein paar Wochen nach Berlin gekommen, und möchte es hier schön haben, wenn ich das Haus betrete.“ Ich bin überzeugt, dass sie ihre Mitbewohner im tiefsten Kreuzberg mögen müssen.

 

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