🇨🇿 Tento článek si můžete přečíst i v češtině: Trumpetista a fotograf Till Brönner
Du lebst in Potsdam. Hat es etwas, was Berlin nicht hat?
Ich war über 30 Jahre in Berlin und habe direkt nach dem Mauerfall miterlebt, welches große Potenzial einerseits, aber auch welche großen Herausforderungen andererseits in der Stadt zu finden sind.
Berlin ist vor allem von sozialen Problemen herausgefordert. Ob das gelingt, weiß man nicht. Aber das große Zentrum des Austauschs zwischen kreativen Menschen, die aufeinandertreffen, sich gegenseitig inspirieren und auch geschäftliche Verbindungen entstehen lassen, das konnte ich so nicht feststellen. Mit der Pandemie war das besonders stark zu spüren. Dann kam auch meine Tochter ins Spiel. Wir haben uns entschieden, Berlin zu verlassen und dorthin zu ziehen, wo es angenehmer und gesünder ist. Potsdam hat geschichtlich eine Menge zu bieten. Die Nähe zu Berlin bleibt, zum BER fährt man genauso lange. Es gibt mehr Seen, es ist grüner, diese Stadt funktioniert einfach anders. Es ist eben Brandenburg – und nicht Berlin.
Ich persönlich kam zum Jazz durch meinen Vater – er war Winzer und ein riesiger Jazz-Fan. Er hat meiner Schwester und mir in der Kindheit oft eine Audiokassette vorgespielt, auf der unter anderem Dizzy Gillespie, Stan Getz und Sarah Vaughan zu hören waren. Es war Liebe auf den ersten Ton. Der allererste Jazz Song, den ich mir damals selbst beigebracht habe, war „Wave“ von A. C. Jobim. Wie war es bei dir?
Der erste Jazz Song, bei dem ich das Gefühl hatte: „Okay, diese Musik könnte gefährlich für mich werden“ – war ganz klassisch „Mack the Knife“ von Louis Armstrong. Lustigerweise wurde das nicht nur in meiner Familie gehört, sondern auch im Musikunterricht in der Schule. Obwohl ich schon damals mit der Trompete klassische Ambitionen hatte, habe ich gemerkt: Da gibt’s etwas, das könnte in Zukunft noch interessanter für dich werden als die klassische Musik.
Als klassisch ausgebildete Hornistin hatte ich auch Ambitionen in der Klassik, zumal ich das Instrument bis heute besitze…Till, Du bist immer so stilvoll auf der Bühne. Vor Kurzem las ich einen IG Beitrag von Maestro Ron Carter darüber, wie wichtig es sei, sich als Zeichen des Respekts vor der Musik und vor dem Publikum stilvoll zu kleiden. Inwieweit ist das auch für dich wichtig?
Es macht Sinn, dass das äußere Erscheinungsbild in gewisser Weise die Musik widerspiegelt, die man selbst spielt. Natürlich sollte man abstrahieren können, denn Musik lebt nicht von Äußerlichkeiten. Sonst wäre Filmmusik nicht so bedeutsam – denn die Bilder werden erst durch Musik emotional erfahrbar. Trotzdem hat man eine gewisse Verantwortung – gegenüber sich selbst – und dem Publikum. Den Aspekt des Respekts sehe ich absolut genauso. Ein Free-Jazz-Musiker muss vielleicht keinen Smoking tragen – obwohl das auch witzig wäre, weil es einen interessanten Kontrast schafft. Letztlich steckt in jedem Bühnenoutfit eine bestimmte Aussage. Jemand, dem es einfach „doesn’t give a sh**“, das ist wahrscheinlich das Schlechteste.

Ron Carter entstammt einer Generation, die mit ganz anderen Formen von Diskriminierung und Vorurteilen konfrontiert war. Denke man nur an die berühmten Fotos, auf denen Miles Davis nach einem Übergriff vor dem Birdland Club steht, mit Blut auf seinem weißen Jackett, weil er von der Polizei geschlagen wurde. Das sind Erfahrungen, die afroamerikanische Musiker ganz anders geprägt haben als zum Beispiel weiße Europäer. Ich finde, es ist fair, die Dinge beim Namen zu nennen. Aber die Haltung von Ron Carter teile ich heute voll und ganz. Ich erinnere mich auch an das Miles Davis Quintett mit Tony Williams – sie saßen im Smoking auf der Bühne und spielten Musik, die lichterloh brannte. Das war unerwartet – und gerade deshalb ein starkes Statement.
Wenn du dein musikalisches Leben gegen eine andere Karriere eintauschen müsstest, was würdest du tun?
Zurzeit liegt es nahe, dass mich die Fotografie, also eine andere Kunstform, wahrscheinlich für sich einnehmen würde. Gleichzeitig habe ich immer wieder festgestellt, dass nichts so sehr an mich herankam, wie die Musik. Immer wenn ich emotional zu kämpfen hatte, war es die Musik, die mich rettete. Es gibt keinen Menschen, keinen Künstler, der jeden Tag gleich viel Lust hat zu singen oder zu spielen. Und dennoch war es stets die Musik, die sagte: Du gehörst zu diesem Instrument – und dieses Instrument gehört zu dir. Es ist meine Form des Ausdrucks – und meine Form von Therapie. Deswegen fürchte ich eigentlich den Moment, an dem ich mich jemals entscheiden müsste. Tatsächlich ist es so: Ich muss mich gar nicht entscheiden.
Es berührt mich, wenn Menschen nach dem Konzert sagen: „Mein Tag war furchtbar – aber Ihre Musik hat mir gutgetan.” Doch auch in New York habe ich es erlebt: selbst die besten Musiker kämpfen manchmal. Letztlich sind wir alle nur Menschen.
Eben an diesem Punkt fängt die Kunst an. Die meisten Menschen, die Künstler sehen, missverstehen sie auch ein bisschen. Auf der Bühne verkörperst du für dein Publikum fast etwas Göttliches. Zu zeigen – wer du bist, was du denkst, was du fühlst – ist manchmal schwierig für das Publikum, weil du auf einem Sockel stehst. Trotzdem hast du die Aufgabe, das Publikum emotional abzuholen. Du hast die Chance und die Fähigkeit, ihm etwas zu geben, das seinen Tag lebenswert und wertvoll macht.
Du weißt, ich beherrsche ziemlich gut die Stimme, du hervorragend die Trompete. Was kann die Trompete, was die Stimme nicht kann?
Die Trompete kann eine ganze Menge, was die Stimme nicht kann – und trotzdem kenne ich diese Momente, in denen ich mir gewünscht habe, eigentlich Sänger zu sein.
Aber du singst doch auch?
Ja, aber ich bin kein guter Sänger – und das ist auch völlig in Ordnung, denn ich habe ja die Trompete. Ich singe in einem engen Korridor das, was mir möglich ist – da fühle ich mich wohl. Mit meiner Trompete oder meinem Flügelhorn versuche ich einem noch wärmeren, noch menschlicheren Sound näher zu kommen. Es gibt Momente, in denen ich bedaure, dass aus der Trompete keine Worte kommen. Denn mit Worten kann man natürlich auch Texte transportieren. Aber seitdem ich angefangen habe, beim Spielen an Texte zu denken, glaube ich, besser zu spielen. Auch wenn man sie nicht hört.

Wenn du einen einzigen Song auswählen müsstest, um jemanden vom Jazz zu überzeugen, welcher wäre das?
Das ist sehr schwer. Für mich war immer der wichtigste Punkt, dass es keine Musikrichtung gibt, die sich über so viele Dekaden, inzwischen mehr als 100 Jahre, immer wieder neu entwickelt, neu formiert und grundlegend verändert hat und trotzdem noch Jazz genannt wird. Es ist, als ob ein Auto plötzlich keine Räder mehr, keine Form mehr, keine Sitze hat – und jetzt fliegt. Aber man nennt es immer noch ein Auto. Letztlich bedeutet das für mich: Solange der wichtigste Aspekt – nämlich Improvisation, Spontaneität und Dialog – noch hörbar ist, jede Stilrichtung, jede Dekade aus besten Gründen Jazz ist. Wenn ich einen einzigen Track auswählen müsste, um jemandem meine Begeisterung für diese Musik zu vermitteln, dann wäre es wahrscheinlich Love for Sale von Kind of Blue. Diese Einleitung von Bill Evans, wie die Band einsteigt, wie Miles mit Dämpfer spielt – und was sich im Laufe dieser ganzen Aufnahme entfaltet: Die Soli von Coltrane, die Interaktion – all das ist ein wunderbares Synonym dafür, was Jazz kann.
Du bist bekannt für deinen eleganten Stil und coolen Sound. Gibt es auch eine wilde, unkon-trollierte Seite an dir?
Natürlich. Sie kommt auch in bestimmten Projekten zum Tragen. Aber es gibt eben auch Kontexte, in denen das Wilde nicht gut funktioniert. Und es gibt Projekte, die ausschließlich vom Wilden leben. Ich finde nicht sinnvoll, nur wild und unkontrolliert zu sein. Wir müssen auf der Bühne die Kontrolle behalten. Sonst droht Lebensgefahr – oder zumindest Willkür.
Die deutsche Jazzszene hat in Deutschland und auch in meinem Heimatland Tschechien jeweils eine eigene Geschichte. Was ist für dich typisch deutsch oder das Besondere an der deutschen Jazzszene?
Der Jazz begann, die Welt zu erobern – und in Deutschland kam irgendeine idiotische Nazipartei auf die Idee, diese Musik als „entartet“ zu bezeichnen, sie zu verbieten, sie als verpönt zu empfinden und letztlich sogar unter Strafe – teils unter Todesstrafe – zu stellen. Während also überall Swing getanzt, gespielt und genossen wird, musstest du in Deutschland aufpassen, dass du dabei nicht erwischt wirst.
Der deutsche Jazzmusiker hatte das Problem, dass er während des Kriegs nicht spielen durfte und nach dem Krieg auch nicht richtig, weil er durch die große Präsenz der amerikanischen Soldaten und Künstler plötzlich wieder daran gehindert wurde. Denn jetzt war auf einmal das „Original“ da. Albert Mangelsdorff hat mir das einmal persönlich erzählt: „Im Krieg durfte ich nicht. Und als ich endlich loslegen konnte, waren in den Army Clubs die Amerikaner, und ich wurde ständig von der Bühne vertrieben, weil da immer die amerikanischen Musiker spielten.“ Er musste sich daher etwas Neues überlegen – und dieses Neue war letztlich eine Art Flucht, aber eine aktive und künstlerisch wertvolle Flucht in den Avantgarde-Jazz. Dieser wurde über kurz oder lang, in den späten 50er- und 60er-Jahren, von Musikern wie Mangelsdorff, Heinz Sauer, Brötzmann, Peter Kowald und vielen anderen im Westen wie im Osten erfunden und gespielt. Was passierte? Die Energie war so bemerkenswert, dass man das auch in Amerika erkannte – und plötzlich wurde z. B. das Mangelsdorff-Quintett oder Wolfgang Dauner nach Newport zum Jazzfestival eingeladen, weil man diese Art, Jazz zu spielen, einfach gut fand. Man hatte das Gefühl: „Wow, there is an exchange. There is a German version – a European version – of it right now, that we would like to present.“ Dazu gehörten auch Impresarios und Festivalmacher wie George Wein, Norman Granz und viele weitere, die erkannten, dass sich Jazz zu einer Weltsprache entwickelte – und dass diese Sprache irgendwann tatsächlich auch nationale Farben anzunehmen begann.
Und das ist der Punkt, an dem wir heute stehen – mit einem Potenzial, das darin liegt, dass wir den Jazz vielleicht nicht in Deutschland erfunden haben. Aber auch der Jazz in Amerika war das Ergebnis vieler Einflüsse: Afrikaner, Sklaverei, Franzosen, New Orleans, Engländer – alles kam zusammen. Dort ist er entstanden. Aber der entscheidende Gedanke ist doch: Wie schön ist es, wenn man Jazz als Vehikel wählen kann, um dann die eigene polnische, tschechische, deutsche, französische Seele in dieser Musik zum Ausdruck zu bringen? Weil ich weiß, wo du herkommst. Ich spüre deine Kultur – und genau die will ich auch spüren.
Wie definierst du die heutige Jazzszene?
In Deutschland empfinde ich sie als sehr spannend – vor allem, weil sie sich nicht hat „bestechen“ lassen, und zwar in dem Sim, konventionell sein zu müssen. Sie ist in ganz Deutschland eine sehr aktive Szene. In fast jedem Bundesland, in jeder größeren Stadt, gibt es eine Jazzhochschule oder zumindest eine Hochschule, an der man Jazz studieren kann.
Was sie allerdings bis heute nicht so gut gelernt hat, ist: allein klarzukommen. Die deutsche Jazzszene hängt sehr stark an öffentlichen Fördergeldern – Initiative Musik, Stipendienprogramme, Budgets. Und diese sind mittlerweile sehr politisch gefärbt, sodass man sich manchmal fragt: „Muss ich meine Musik ändern, um gefördert zu werden?“ Das führt zu etwas, was ich problematisch finde: einer gewissen Uniformität – und genau die hat mit Jazz eigentlich nichts zu tun. Jazz sollte nicht gleichförmig und angepasst sein. Jazz sollte all die verschiedenen Arten und Stile, die er hervorgebracht hat, zeigen und ermöglichen.
Du hast während deiner Karriere mit vielen großen amerikanischen Musikern gearbeitet. Gab es je einen Moment, in dem du dachtest: „Ich könnte meine Zelte auch in den USA aufschlagen?“
Als ich 19 war habe ich durchaus mit dem Gedanken gespielt, nach New York zu gehen. Aber ich hatte das Glück, dass ich 1991 eine Stelle in der damaligen Bigband des RIAS Berlin bekam. Sie war damals noch sehr konventionell, aber eine Verjüngung kündigte sich bereits an. Irgendwann war es dann eine Kunst- und Jazz-Bigband – keine reine Unterhaltungsband mehr.
Ich glaube nicht, dass ich in New York eine bessere Ausbildung hätte bekommen können als das, was ich damals dort erlebt habe. Ich habe in dieser Zeit mit Ray Brown meine erste Platte gemacht, Jeff Hamilton und John Faddis kennengelernt, mit Dave Brubeck gespielt. Die Liste ist sehr lang: Gilbert Bécaud, Hildegard Knef, Caterina Valente… Von Avantgarde bis konventionell war alles dabei. Das war für mich Gold wert – und ich konnte sowohl diese Erfahrung als auch das damals verdiente Geld nutzen, um meine ersten eigenen Platten zu finanzieren. Dann merkte ich: Ich begann im deutschsprachigen Raum – auch durch die damalige Medienlandschaft – bekannter zu werden. Und irgendwann hatte ich mir diesen Raum so erschlossen, dass die Frage: „Willst du noch mal nach Amerika?“ nur noch eine inhaltliche, aber keine wirtschaftliche mehr war.
Vielleicht hätte ich noch mal sagen können: „Ich breche alles ab und gehe nach L.A. oder New York“. Aber ich hätte sehr schnell festgestellt, dass ich von dort aus sowieso wieder nach Europa hätte reisen müssen. Denn die meisten Musiker, die in New York leben, spielen in kleinen Clubs wie dem Smalls, nur um dann auf Tourneen durch Europa zu gehen. Aber ich war ja schon in Europa. Es ist mir gelungen, in vielen europäischen Ländern genug Präsenz zu erreichen, um mit meinen Projekten dort wahrgenommen zu werden. Ich war zwar mal vier Jahre in Los Angeles, aber musste ständig hin und her reisen, weil mein Hauptkonzertfeld immer noch in Deutschland, Österreich und der Schweiz lag. Gleichzeitig war es eine der schönsten Perioden meines Lebens. Ich habe dort Platten aufgenommen und das Gefühl gehabt: Wenn ich noch mal die Wahl hätte – L.A. wäre wirklich ein wunderbarer Ort.
Deine zweite Leidenschaft ist die Fotografie. Wenn du einen weltberühmten Fotografen als Jazzmusiker beschreiben müsstest: Wer wäre der Miles Davis oder der John Coltrane der Fotografie?
So wie es im Jazz unterschiedlichste Persönlichkeiten und Ausprägungen gibt, existieren auch in der Fotografie Künstlerinnen und Künstler, die mit ihrer ganz eigenen Handschrift die Welt um sich herum festhalten.
Wenn wir Jazz als eine Musikform begreifen, die möglichst spontan, überraschend und doch auf einem tiefen Wissen und großer Neugier basiert, dann wäre der beste Jazzmusiker unter den Fotografen wohl der Reportagefotograf. Jemand, der auf alles vorbereitet ist, gleichzeitig aber beweglich bleibt – fast wie ein Paparazzo. Denn er hat die Gabe, den Moment einzufangen. Seine Bilder müssen gelingen, man muss sofort erkennen, wer abgebildet ist, was passiert. In diesen Bildern steckt dieselbe Bewegung, derselbe Impuls wie im Jazz, den ich liebe.
Der Studiofotograf hingegen, hat alles vorbereitet und weiß genau, was er will. Er hört auf, sobald er „sein“ Bild hat, und ist eher ein Interpret. Jemand, der Sicherheit sucht. Das heißt nicht, dass das Ergebnis weniger künstlerisch ist. Aber es ist eher vergleichbar mit Jazzformen, die nur teilweise improvisiert sind – etwa Bigband-Jazz, bei dem das Arrangement im Vordergrund steht. Das wäre dann vielleicht das fotografische Pendant zu jemandem wie Irving Penn: ein Meister der kontrollierten, perfekt komponierten Studiofotografie.
Du machst häufig Schwarz-Weiß-Fotografien. Was erzählen sie, was Farbfotos nicht aus-drücken können?
Das Schöne an der Schwarz-Weiß-Fotografie ist, dass man nicht sofort erkennt, wann das Bild entstanden ist. Man muss zweimal hinschauen, um es zeitlich einzuordnen – man kann die Zeit regelrecht „herausdrehen“.
Wenn wir jetzt aus dem Fenster schauen, sehen wir überall Farben, die es 1956 schlichtweg noch nicht gab. Alte Farbfotografien – etwa von Saul Leiter – zeigen nicht nur andere Farbpaletten, sondern spiegeln auch wider, dass die Städte und Materialien damals anders waren. Auch die Malerei der 50er Jahre wirkt so, weil sie mit anderen Pigmenten und Materialien gearbeitet hat – oft in Ocker-, Erd- oder verwaschenen Tönen. All das umgeht man mit Schwarz-Weiß. Wir konzentrieren uns sofort auf Emotion, auf Licht, Schatten, Struktur.
Die Kehrseite ist, dass schwarz-weiße Fotos heute oft mit Trauer assoziiert werden. In den Medien bedeuten sie meistens: „Diese Person ist gestorben.“ Auch in der Werbung ist schwarz-weiß selten – weil es weniger attraktiv erscheint. Selbst in Fashion-Magazinen wirkt es mitunter zu still oder zu reduziert. Deshalb muss man fast schon vorher klarstellen: Das ist ein Editorial. Wir haben uns bewusst dafür entschieden – daher bitte nicht erschrecken. Eigentlich traurig, oder?
Musik und Fotografie dominieren deiner künst-lerischen Welt. Gibt es noch eine ganz andere Leidenschaft, die man dir vielleicht gar nicht zutrauen würde?
Ich koche wahnsinnig gerne. So sehr, dass ich letztes Jahr kurzerhand mein erstes Kochbuch veröffentlicht habe. Damit ist diese Leidenschaft nun auch keine heimliche mehr, sondern eine öffentliche.
Was mich immer mehr fasziniert, ist Geschichte. Ich war nie besonders gut in dem Fach, aber heute interessieren mich Bücher über die Entwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur sehr. Gerade jetzt – mit einem Krieg mitten in Europa – wird die Frage wieder spannend: Warum konnten der Erste oder Zweite Weltkrieg überhaupt entstehen? Was waren die Mechanismen? Worauf muss man achten? Welche Zeitzeugen kann man noch befragen? Es ist eine unfreiwillige, aber zugleich aufschlussreiche Leidenschaft von mir.
Stell dir vor, wir müssten für einen Abend die Rollen tauschen. Ich spiele Trompete – und du würdest singen. Ich würde „My Funny Valentine“ wählen. Das kriege ich mit meinem French-Horn-Ansatz vielleicht noch hin. Welchen Song würdest du singen?
Auf jeden Fall etwas Leichtes. Vielleicht One Note Samba, etwas Brasilianisches oder Italienisches. Denn ich nehme gerade ein Album in Italien auf. Es erscheint im September dieses Jahres. Ich bin in Rom aufgewachsen und meine italienischen Wurzeln holen mich im besten Sinne gerade ein.
Martina Barta ist eine international anerkannte tschechische Jazzsängerin und Musike-rin, geboren in Prag und heute in Berlin und New York lebend. Sie studierte zunächst klassisches Waldhorn am Prager Musikgymnasium, später Jazzgesang am Jazz-Institut Berlin und schloss ihr Masterstudium in Jazz Arts an der renommierten Manhattan School of Music in New York als DAAD-Stipendiatin ab. 2017 vertrat sie Tschechien mit dem Song “My Turn” beim Eurovision Song Contest. Im Jahr 2024 veröffentlichte Martina Barta gemeinsam mit dem legendären amerikanischen Vibraphonisten David Friedman das Duo-Album “You Taught My Heart To Sing” (Malletmuse Records). Zu den Höhepunkten ihrer Musikkarriere zählen Auftritte in der Carnegie Hall, der Berliner Philharmonie und im Jazz at Lincoln Center.
Sie ist regelmäßig bei renommierten Musikfestivals und in führenden Jazz Clubs zu hören.
www.martinabarta.com
17. 07. 2025 – Martina Barta, Zig Zag Jazz Club Berlin
Dieser Artikel erschien in der achte Ausgabe des Printmagazins N&N – Noble Notes