Die Generation Y — Berlin

Was bleibt

Ich bin ein Mensch, der schnell gelangweilt ist und immer wieder etwas neues anfängt. Ein Mensch, der immer an die Grenzen geht und mindestens fünf Sachen gleichzeitig machen muss. Das hat den Vorteil, dass man gut jonglieren kann und viel gleichzeitig schafft. Der Nachteil ist, dass man dadurch versucht nur das Wichtigste aus den Informationen zu extrahieren und dann filtert man schon mal viel. Was dazu führen kann, dass unsere Generation vielleicht keine Geschichte einmal erzählen können wird, weil Details fehlen. Weil man irgendwann nur ergebnisorientiert ist.

So hatte das Gespräch mit Cengizhan Yüksel angefangen, einem jungen Mann aus Berlin, der bei uns schon immer Respekt geweckt hat. Mit seinen 25 Jahren ist er im politischen Berlin tätig. Cengiz engagiert sich auch heute noch im Förderverein seiner ehemaligen Schule. Für sie organisiert er im November wieder einmal die von Prestige umwobene Silent Auction im Hotel Adlon. „Wir sind meistens 5 oder 6 Organisatoren und unsere Aufgabe besteht auch darin, die Spendengeschenke zu sammeln.“ Das heißt, viele Firmen und Organisationen anzusprechen, Hotels und Restaurants mit Gut- scheinen, Juweliere mit Schmuck, Autohäuser mit Probefahrten, Galerien mit Kunstwerken, Konzertagenturen für verschiedene Tickets. „Wir haben immer 150 – 200 Items, die versteigert werden. Der Eintritt deckt die Kosten und alle Erlöse der Versteigerung kommen der Schule und den Schülern zu Gute.“

Du bist viel ehrenamtlich tätig. Warum machst du das?
Engagement bedeutet für mich, sich einbringen innerhalb eines Systems und der Gesellschaft. Wie bei mir z. B. in dem „Ecosystem Schule“ – da will man eben etwas zurückgeben, weil die Schule für mich ein Ort der Geborgenheit und des Wissens war, Ort des Austauschs und der sozialen Kontakte. Wir waren in der Klasse 20 Schüler mit 19 Nationalitäten, das beeinflusst das Leben. Die Schule hat mir viel gegeben, also gebe ich jetzt etwas zurück.

Fühlst Du Dich als typischer Türke in Berlin?
Das stellt sich mir erst mal die Frage: was ist ein typischer Türke? Eines steht fest: ich bin Deutscher. Aber auch ist klar: ich habe türkische Wurzeln – und bin auch sehr glücklich darüber. In der Vergangenheit kam oft die Frage auf „Türke oder Deutscher“? Und Phasenweise war man mal eher Deutscher, dann mal eher Türke. Heute kann ich sagen: ich habe das große Glück, mir das beste und schönste aus beiden Kulturen auszusuchen. Und wenn ich dann immer noch gefragt werde, was ich denn sei – dann sag ich: Berliner.

Freunde hast du aus verschiedenen Kulturen. Aber bei der Freundin oder einer späteren Ehefrau ist  es  dir völlig egal, welche Nationalität sie haben sollte?
Türkische Wurzeln sind für mich kein Muss bei einer künftigen Ehefrau, es muss halt menschlich passen. Gleichzeitig muss gesagt werden: oft braucht es viel Offenheit und Geduld, um die kulturellen Eigenheiten der anderen Person zu verstehen und damit klarzukommen. Als Beispiel dafür könnte ich den engen Kontakt zu meiner Familie nennen: ich liebe meine Familie und verbringe auch viel Zeit mit ihr. Nachvollziehbar ist das aber nicht für jeden. Aber wenn man sich liebt und es passt, dann funktioniert alles.

Stell dir vor, sie wäre eine Katholikin und möchte, dass euer Kind getauft wird. Was würdest du dazu sagen? Das würde man dann besprechen. Religion prägt ja natürlich auch die Kultur. Ich würde durchaus befürworten, dass beide Kulturen in die Erziehung miteinfließen – das heißt, es wird sowohl Weihnachten, als auch Zuckerfest gefeiert. So habe ich das auch gelebt: seit über 15 Jahren bin ich an Heiligabend bei der Christmette in der Evangelischen Kirchgemeinde Grunewald dabei – für mich mittlerweile eine selbstverständliche Tradition. Gleichzeitig feiere ich seit meiner Kindheit auch Zuckerfest – wie gesagt: das Beste aus beiden Kulturen!

Und wenn das Kind dann erst mal alt genug ist, kann es sich selbst entscheiden – für eine oder vielleicht sogar gar keine Religion.

Alles ist ein ewiger Zyklus. Was bleibt für die Zukunft? What remains…
Jeder hinterlässt etwas, wofür er gearbeitet hat und das, was bleibt, ist die Bereicherung für die Gesellschaft. Was bleibt z. B. nach der Spendengala? Vielleicht ein Gefühl, dass man heute Spaß hatte und dabei etwas Gutes getan hat, um etwas Neues zu schaffen. Klar, jeder so, dass es ihm nicht weh tut. Aber als Kollektiv kann man so ohne viel Mühe etwas Großes schaffen, weil man es eben gemeinsam getan hat. Es bleibt ein Glücksgefühl, weil man etwas Gutes getan hat. Und auch das Gefühl dazu zu gehören… gehören zu dürfen.

Text Danuše Siering a Jan Siering Foto Karin Zadrick

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