Unmerklich wird aus der Sächsischen die Böhmische Schweiz. Wenige Minuten nach Abfahrt vom Dresdener Hauptbahnhof liegt links die Elbe. Ein Ober eilt heran. Er serviert kaltes Pils, Schnitzel mit Kartoffeln und Gurkensalat. Die Gäste sitzen an weiß eingedeckten Tischen auf roten Sesseln.
Nach knapp einer halben Stunde im EC naht die tschechische Grenze. Bad Schandau, ein Schatz des Elbsandsteingebirges, ist die letzte Stadt elbaufwärts auf deutscher Seite. Früher fuhren Touristenschiffe nach Tschechien hinein, heute führt die Elbe zu wenig Wasser. Daher nimmt man am besten den Zug mit Nostalgiefaktor.
Mělník ist eine Perle
Die Stunde im Speisewagen vergeht wie im Flug. Dann heißt es aussteigen und umsteigen. Tagesziel: Melnik über Usti nad Labem. Eine Weinstadt, malerisch gelegen über dem Zusammenfluss von Elbe und Moldau, knapp 90 Winzer auf 20.000 Einwohner.
An diesem Sommertag sind es 38,5 Grad. Sarka Kalfarova lässt das kalt. Enthusiastisch schreitet die Reiseführerin voran, durch ihre mittelböhmische Heimat, und erzählt von der Heiligen Ludmilla, die den ersten Fürsten des Königreiches Böhmen zum Mann nahm und Christin wurde. „So kam das Christentum – und der Wein.“
Apropos Wein, der lagert unter anderem im Chateau Mělník. Der historische Weinkeller ist so sehenswert wie die Innenräume des Renaissanceschlosses in Privatbesitz insgesamt.
Besuch beim Schlossherren
Schlossherr Jiří Jan Lobkowicz plaudert salopp über die Besitztümer: „Drei Schlösser in Böhmen, zwei in Frankreich.“ 80.000 Touristen besichtigen sein 4000-Quadratmeter-Reich pro Jahr, 25.000 Weinverkostungen inklusive. „Der Weinabsatz ist gewachsen, die Qualität hat sich verbessert“, sagt Lobkowicz. Tatsächlich überraschen die örtlichen Weine durch ihre Vollmundigkeit.
Die einst gotischen Häuser im zauberhaften Stadtkern voN&Nbsp;Mělník wurden im Renaissance-, Barock- und teils Jugendstil weiter gestaltet. Im Prager Tor, einem erhaltenen Stadttor mit Turm und Teestube, findet man Ruhe nach dem langen Reisetag.
Mineralwasser to go
Morgens geht es zurück auf die Schienen, nächster Halt: Poděbrady. Aus dem Bahnhof heraus stolpert man in den Kurpark. Leises Plätschern von Springbrunnen, blühende Büsche. Der Weg zur Elbe führt an Buchsbäumen vorbei, die zu Kugeln und Dreiecken geschnitten wurden.
Stolz ragt das Schloss von Poděbrady am Ufer auf. In dessen Innenhof stieß 1905 ein Wünschelrutengänger auf eine mögliche Wasserader. Tatsächlich brachte eine Bohrung in fast 100 Metern Tiefe eine Mineralquelle hervor. Seither werden in Tschechiens jüngstem Kurort vor allem Herz- und Kreislaufpatienten behandelt. Der Renner sind die Kohlensäurequellbäder. Aus etlichen Quellen im Kurpark darf man eigenhändig Mineralwasser zapfen.
Radtour zum Lebkuchenhaus
Das nächste Ziel heißt Pardubice. Dort wird von der Bahn auf das Rad gewechselt. Jede größere Stadt in Tschechien hat einen Fahrradverleih der tschechischen Bahn. Flach sind die Wege, zauberhaft die Ausblicke auf Wiesen, Laubwälder, kleine Kanäle und scheinbar endlose Sonnenblumenfelder. Wer es skurril mag, radelt zum Lebkuchenhaus (Perníková chaloupka), irgendwo im Wald unweit der Burg Kunetická Hora in Ráby. Das Museum, ein Jagdschlösschen von 1882, beheimatet das berühmte Gebäck von Herz- bis Krippenformat.
Auf dem Weg zur Elbquelle
Nun wartet die Quelle des 1094 Kilometer langen Elbstroms. Ab Pardubice fährt der Zug über Stará Paka und Kunčice nach Vrchlabí (Hohenelbe). Zwei Umstiege später, nach kurzer Taxifahrt bis Spindlermühle (Špindlerův Mlýn), sieht man die Elbe wieder. Jetzt ist Wanderzeit. Die Luft ist klar im Nationalpark Riesengebirge. Weitläufige Ziehwege, Wiesen und Waldstrecken betten raue Gebirgskämme ein.
Unterwegs kommt man bei einem regionaltypischen Martinova bouda vorbei, einem Bergchalet. Pittoresk sind diese kleinen Unterkünfte, die versprengt im Gebirge auf Einkehrer warten.
Der Pfad zieht sich der Quelle entgegen. Schließlich: die Elbwiese auf 1602 Metern Höhe. Am Boden: ein unscheinbarer Steinring. Er markiert symbolisch den Ursprung der Elbe. Die eigentliche Quelle liegt 150 Meter höher im Torfmoor und ist nicht zugänglich. Doch wenn man tagelang die Landschaft entlang der Elbe genossen hat, dann tut es auch ein steinerner Ring.
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Zeitung Weser-Kurier.