Reste

Die Fotografien der Visual-Künstlerin Karin Zadrick wirken wie ein stilles Gedicht. Ein visuelles Haiku. Ohne Worte wird hier das Bild der realen Artefakte verstetigt, die universell sind, als existierten sie hier schon seit Tausenden von Jahren, so ephemerisch, als ließe die Zeit sie in kürzester Zeit verschwinden.

Mit dem Projekt „Reste II“ knüpft die Künstlerin an die Sammlung „Reste“ an, bei dem der Initiierungspunkt die weggeworfenen Schablonen und Schnipsel waren, die beim spontanen Schaffen des Sohns der Künstlerin entstanden. Die banalen und manchmal unbeachteten Teile, die am Rande seiner Bemühungen und Interessen stehen, macht sich die Künstlerin zu Eigen und setzt sie in einen neuen Kontext. Sie wertet ihre Bedeutung auf und ändert ihren Inhalt von „Abfall“ in „neue visuelle Informationen“. Dieses Prinzip entwickelt sie dann auch in der Herangehensweise an weitere danklos generierte Überbleibsel weiter, die uns in Zeit und Raum umgeben. Gibt es Winkel, die in ihrem Wesen alltäglich und nicht alltäglich sind, oder werden sie gerade dadurch nicht alltäglich, dass wir sie betrachten? Die Einzigartigkeit jedes von menschlicher Hand gefertigten Schnipsels ist bemerkenswert. Tausende Möglichkeiten der Rundung, Zahnung, Perforation. Es ist praktisch unmöglich, zwei gleiche Schnipsel zu erschaffen. Dennoch können sie uns gänzlich bedeutungslos erscheinen, einer wie der andere.

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Jeder ist ein einzigartiges Stück, eine kleine Statue, die wegen der Gleichgültigkeit des Auges praktisch unsichtbar ist. Gleichzeitig scheint er leicht ersetzbar zu sein. Und gerade durch seine Aufzeichnung scheint es, als würde sein Wert und seine Sichtbarkeit steigen.

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Erst das Bild dieser Reste, nicht sie selbst, wird in den Augen des Menschen zu einem Kunstwerk. Es ist gerade die Art, wie wir sehen, die es uns ermöglicht, in die Überbleibsel von Tätigkeiten einen Inhalt zu projizieren, der ihre Existenz selbst übersteigt. Die Darstellung kann in diesem Fall übersehenen Alltäglichkeiten die Fähigkeit geben, durch ihre Isolierung von der überfüllten Welt um sie herum zu sprechen. Die Künstlerin verhindert durch die systematische Aufzeichnung und Umformung der Fragmente in ein dauerhaftes Bild ihren Verlust durch Zeit und Zersetzung und bewahrt sich ein zartes Gefühl aus ihrem Erhalt. Diese Sammlung der Künstlerin ist eine Variation des Themas der Vergänglichkeit, der einfachen Alltäglichkeit und ihres tiefen Wesens, das die Künstlerin mithilfe der Aufzeichnung fassen zu sucht. Sie fragt nach dem Sinn der Materie und den Formen im Sein. Auch Reste können Poesie sein, die grüblerische Blicke des suchenden Auges sättigen…

Text Klára Burianová Foto Karin Zadrick

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