🇨🇿 Tento článek si můžete přečíst i v češtině: Potomek “železného kancléře” Julius von Bismarck se věnuje vztahu člověka a přírody
Dass Künstler gleichzeitig auch Erfinder sind, ist in der Kunst eher selten. Eine Ausnahme ist Julius von Bismarck, der mit technischen, physikalischen und gestalterischen Experimenten künstlerische Projektionen in Installationen, Happenings, Skulpturen, Videokunst und Land-Art schafft und kombiniert. Viele Kunstliebhaber erinnern sich gewiss an die inzwischen legendäre Ausstellung zeitgenössischer Berliner Künstler Studio Berlin im Jahr 2020, bei der im Foyer des Techno Clubs Berghain eine Meeresboje hoch über den Köpfen der Besucher hin- und herschaukelte. Im Werk Tethys ließ der Künstler die Hochseeboje synchron mit der Dünung des Ozeans mit ihrer Schwesterboje von der französischen Atlantikküste steigen und fallen. Indem sie sich mit den wilden Bewegungen der Atlantikwellen verband, wurde die Kraft der Natur trotz der großen Entfernung für die Besucher aus nächster Nähe sichtbar.
Der schwebende Waschbär
Das erste Mal traf ich Julius von Bismarck beim Gallery Weekend 2018 in Berlin. In einem dunklen Raum der Galerie Alexander Levy wurden zwei seiner Werke aus der Ausstellung Tiere sind Engel mit Fell Bravo an die Wand projiziert. In einem scheinbar schwerelosen Zustand schwebten ein Fuchs, ein Waschbär und ein Storch wie Astronauten im Weltall. Ihre Bewegung wurde unter dem Werk von einem unsichtbaren Ventilator angetrieben, der dafür sorgte, dass sie nicht zu Boden fielen. Während ich sie beobachtete, tanzten die Tiere, schwebten und schauten mich an.
Auf der Art Cologne im April 2019 stand ich am Stand der Galerie Sies + Höke aus Düsseldorf wieder vor demselben Werk, diesmal war es ein Fotodruck. Ich beschloss sofort, es zu kaufen. Es war Liebe auf den zweiten Blick und der Beginn meiner Vorliebe für die Arbeit dieses außergewöhnlichen Künstlers. Julius von Bismarck absolvierte sein Masterstudium bei Ólafur Eliasson an dessen Institut für Raumexperimente an der Universität der Künste in Berlin. Dort lernte er Julian Charrier kennen, der am selben Institut das gleiche Masterstudium absolvierte. Beide Künstler verbindet das Interesse an menschlichen Eingriffen in die Natur und deren Auswirkungen. Ihr Ansatz ist teilweise humorvoll, mit einer oft tragisch entfremdeten Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt.
In ihrer Gemeinschaftsarbeit Some Pigeons are more equal than others aus dem Jahr 2012 besprühten die Künstler venezianische Tauben mit Farben, als würden sie sich mit entflohenen Kanarienvögeln paaren, und ließen sie über San Marco fliegen. Für Aufsehen in den amerikanischen Medien, vor allem bei Fox News und ABC News, sorgte ebenso ihre Installation I am afraid I must ask you to leave aus dem Jahr 2018. Das Werk zeigt die fiktive Sprengung berühmter amerikanischer Naturdenkmäler. Dazu ließen Bismarck und Charrière verschiedene bekannte Felsformationen in Lebensgröße fertigen, sprengten sie dann in die Luft und veröffentlichten die mysteriösen Videos der spektakulär explodierenden Felsen auf YouTube. Die Videos waren so überzeugend, dass Mitarbeiter vom Utah Department of Natural Resources zu den besagten Felsformationen geschickt wurden, um das Ausmaß der Naturschäden zu begutachten. Das Ziel dieser konzeptionellen Arbeit war es, herauszufinden, wie die Öffentlichkeit auf die Zerstörung eines geschützten Naturdenkmals und uralter Naturformationen reagieren würde. Die Idee entstand zu einer Zeit, als Terroristen und die Taliban ein Weltkulturerbe in Palmyra, Syrien, und monumentale Buddha-Statuen in Afghanistan zerstörten.
Wissenschaft als Quelle der Inspiration
In der großen Einzelausstellung von Julius von Bismarck in der Berlinischen Galerie, die bis August 2023 lief, hat der Künstler erstmals einen biografischen Weg eingeschlagen und sich mit seiner eigenen Familiengeschichte auseinandergesetzt. Ich hatte die Gelegenheit, neben den Ausstellungen auch mehrmals sein Berliner Atelier zu besuchen. Ich bewunderte seine Vielseitigkeit und künstlerische Bandbreite. Bezeichnend für Bismarck ist sein langjähriges Inter-esse an der Natur, ihrer Zerstörung und Dekon-st-ruktion durch den Menschen. In seinen Werken erforscht er die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit und diverse physikalische Gesetze, um die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir die Dinge um uns herum betrachten. Dabei lässt er sich von der Wissenschaft inspirieren, die er mit künstlerischen Mitteln zum Ausdruck bringt. Er möchte, dass die Menschen einen Perspektivwechsel erleben und ist der Ansicht, dass es dazu keiner Worte bedarf. Er hat Blitze in Venezuela eingefangen, Waldbrände in Schweden und Kalifornien gefilmt, wo er direkt neben den Feuerwehrleuten stand. In seinen großformatigen Installationen führt er den Betrachter in radioaktiv verseuchte Wälder. Im Werk von Julius von Bismarck wird eine Brandkatastrophe zu einem fast meditativen Spektakel.
In seiner jüngsten Ausstellung in der Berlinischen Galerie folgte er zum ersten Mal den Spuren seines Familiennamens und dem kolonialen Erbe seines Urgroßonkels, des ersten deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck. In vielen Interviews immer wieder auf diese Verwandtschaft angesprochen, wendet sich Julius, der zur Unterscheidung nur mit seinem Vornamen angesprochen werden möchte, nun seinem berühmten Vorfahren zu und thematisiert insbesondere die Folgen des deutschen Kolonialismus.
Dieser Artikel erschien in der fünfte Ausgabe des Printmagazins N&N Czech-German Bookmag