Von einer Punkprinzessin zur Geschäftsfrau 

Gloria von Thurn und Taxis, einstige Punk-Prinzessin, mit toupiertem Haar und grellem Make-up, füllte in den 1980er Jahren die Titelseiten nicht nur der deutschen Presse. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes Johannes von Thurn und Taxis, mit dem sie drei Kinder hat, musste sie von heute auf morgen zur Geschäftsfrau werden. Im Gespräch erzählt sie über ihre Zusammenarbeit mit der Staatsoper Prag und ihren Sohn Albert, der in der Tschechischen Republik begeistert an Autorennen teilnimmt.

🇨🇿 Tento článek si můžete přečíst i v češtině: Z punkové princezny podnikatelkou

Ihre Geschichte verfolge ich, seit ich in Deutschland lebe. Mariae Gloria Fernanda Joachima Wilhelmine Josephine Luitgarde Franziska Millburga Huberta Ursula Fürstin von Schönburg-Glauchau zog mich von Anfang an in ihren Bann, und das nicht nur dem Namen nach. Ihr bewegtes Leben an der Seite von Fürst Johann von Thurn und Taxis füllte die Seiten der deutschen und internationalen Boulevardpresse, und ihr Auftritt in der Fernsehshow Wetten, dass…? im Jahr 1986 ist inzwischen legendär. In dem Jahr, in dem ich nach West-Berlin kam, wurde sie endgültig als  „Punk-Prinzessin“, „Pop-Aristokratin“ oder „Jet-Set-Darling“ abgestempelt. Sie nannte ihren Mann „Goldie“ und ihr Satz „Ich schmeiße lieber Partys als hart zu arbeiten“ klang noch lange in meinen Ohren. Mein erstes Gehalt betrug damals 1140 Westdeutsche Mark und ich war froh, dass ich damit gerade so hinkam. In einem Fragebogen der FAZ antwortete sie auf die Frage, was sie gern sein würde, folgendermaßen: „Ein Elefant im Porzellanladen.“ In gewisser Weise hat sie sich diesen Traum erfüllt. 

Als ihr Mann 1990 nach zwei fehlgeschlagenen Herztransplantationen unerwartet starb, wurde ihre Welt auf den Kopf gestellt. Kurz vor seinem Tod erteilte ihr Mann, ein Vertreter der 500 Jahre alten Dynastie Thurn und Taxis, ihr eine Generalvollmacht zur Umstrukturierung des Familienunternehmens. Dazu gehörten Privatbanken, unzählige Immobilien, ein Konglomerat von 50 Industriebetrieben, eine Brauerei und der mit 28.000 Hektar größte Waldbesitz Europas. Die Ernüchterung folgte auf den Fuß, die finanzielle Situation war dramatisch. Um die Erbschaftssteuer von 45 Millionen Mark bezahlen zu können, ließ sie einen Teil des Familienbesitzes bei Sotheby’s versteigern.

Gloria begann ein privates Studium der Betriebswirtschaft. Sie erkannte bald, dass das Familienunternehmen von unfähigen Managern geführt wurde, und entließ sie kompromisslos. Innerhalb kürzester Zeit wurde sie zu einer knallharten Geschäftsfrau mit sehr konkreten Vorstellungen, geprägt vom Leitsatz „Zurück zu den Wurzeln“. Sie trennte sich von allen instabilen und unrentablen Teilen des Familienunternehmens und entließ sogar einen Teil des Personals im Familiensitz Schloss St. Emmeram in Regensburg, der mit 37.000 Quadratmetern die größte Schlossanlage Deutschlands ist. Das Schloss hat sie für exklusive Veranstaltungen wie Feste, Gartenmöbelschauen, Firmenfeiern und Silvesterpartys auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wer will, kann sogar in den Gemächern übernachten. Das königliche Vergnügen kostet zwischen 6.000 und 30.000 Euro. Bei den Entscheidungen, was von den Besitztümern der Familie behalten werden sollte, weil sie wichtig für sie sind, und wovon man sich trennen sollte, herrschte Umsicht: „Wenn mein Sohn später einmal einen silbernen Kelch brauchen sollte, kann er ihn auf einer Auktion ersteigern. Aber einen Wald, den man verkaufen würde, wird man sich nicht mehr zurückkaufen können“. 

Ihr Sohn Albert hat inzwischen das Zepter der Familie übernommen und so hat die Fürstin mehr Zeit für ihre Hobbys als streng religiöse Katholikin, die sich kulturell und sozial engagiert. Sie tritt häufig in verschiedenen Talkshows auf und hat im Laufe der Jahre immer wieder mit provokativen Äußerungen für Aufsehen gesorgt. So hat sie beispielsweise von sich selbst gesagt, dass sie „erst mit Dreißig erwachsen geworden ist“. Im Jahr 2002 wurde sie von der amerikanischen Wirtschaftszeitschrift Business Week zur zehntbesten Finanzmanagerin gekürt. Damals war sie 42 Jahre alt. Heute arbeitet Ihre Durchlaucht Fürstin Gloria, so ihr offizieller Titel, weniger ostentativ im „Porzellanladen“, als Buchautorin, Malerin und Großmutter. Aber ihre Stimme ist immer noch zu hören. Für mich hat diese Dame bis heute nichts von ihrer Frische verloren.

Gloria von Thurn-Taxis. foto: Julia Sellman

Sie haben Ihre Kindheit in Togo und Somalia verbracht, heute leben Sie in Deutschland und Italien. Wo sind Sie am liebsten?

Gott sei Dank bin ich überall dort gern, wo mich liebe Menschen  betreuen. Aber am liebsten bin ich zu Hause in Regensburg.

Sie sind einen langen Weg von der gefeierten „Punkprinzessin“ zu einer angesehenen deutschen Geschäftsfrau gegangen, zu der Sie nach dem Tod Ihres Mannes  wurden. Was war Ihre schwierigste geschäftliche Entscheidung?

Bei allen Entscheidungen, egal ob geschäftlich oder privat, ist das Schwierigste, zu erkennen, ob Ihr Gegenüber es ehrlich meint.

Die Familie Thurn und Taxis gehört seit jeher zu den Philantropen, die u. a. Mark Twain, Rainer Maria Rilke, Bedřich Smetana und die Tochter des ersten tschechoslowakischen Präsidenten, Alice Masaryková, gefördert haben. Seit 2003  veranstalten Sie auf Schloss St. Emmeram in Regensburg die Schlossfestspiele, die zu den zehn schönsten Schlossfestivals weltweit gehören. Weshalb haben  Sie sich für die Zusammenarbeit mit der Staatsoper in Prag und  dem Nationaltheater in Brno entschieden?

Die Staatsoper Prag und das Nationaltheater Brno haben großartige Inszenierungen und Ensembles. Wir sind Nachbarn und es liegt uns daher nah, zusammen zu arbeiten. Was das Schloss St. Emmeram anbelangt, möchten wir dort durch niveauvolles Entertainment noch mehr Besucher anlocken.

Es wird Ihnen zum Vorwurf gemacht, die Grenzen vom konservativen Gedankengut zum Rechtspopulismus zu überschreiten. Deshalb haben der DGB und Fridays for Future unlängst zum Boykott der Festspiele aufgerufen. Ihre Antwort darauf lautete: „Die Proteste waren reine Zeitverschwendung“. Kann man die beiden Welten, Politik und Kultur, überhaupt voneinander trennen?

Kunst und Kultur dürfen niemals von der Politik instrumentalisiert werden. Das würde das Ende der Freiheit bedeuten. Heute wird jeder, der sich regelmäßig die Zähne putzt und einen Scheitel trägt, als Rechtspopulist bezeichnet.

Ist es für Sie trotzdem denkbar, sich neben Ihren geschäftlichen, kulturellen und religiösen Aktivitäten noch stärker der Politik zu widmen? 

Ganz sicher nicht. Denn die kulturellen Aktivitäten und das Schloss fordern beruflich meine ganze Kraft. Da verbleibt mir  nur noch Zeit für die Familie und meine sportlichen Aktivitäten, mehr schaffe ich nicht. Politik ist also nichts für mich.

In Tschechien leben die Nachkommen von Prinz Rudolf von Thurn und Taxis, dem späteren Freiherrn von Troskov, Vera und Jiří Troskov. Sehen Sie sich mit dem tschechischen Zweig Ihrer Familie? Treffen Sie die übrigen Nachkommen Ihres Geschlechts?

Selbstverständlich. Das freut mich sehr und ich denke, dass es immer wundervoll ist! Unsere Familientreffen finden meistens bei uns in Regensburg statt, weil wir dafür ausreichend Platz haben.

Gloria von Thurn und Taxis wurde 1960 in Stuttgart als Tochter des Grafen Joachim von Schönburg-Glauchau geboren. Nach ihrer Heirat mit Johann von Thurn und Taxis wurde sie zur Vertreterin einer der angesehensten deutschen Adelsfamilien. Ihre Vorfahren, die aus Italien stammen, waren gleich mehrmals Wegbereiter: sie gründeten den ersten Posttransport, den sie ab dem 16. Jahrhundert in weiten Teilen Europas, einschließlich der böhmischen Länder, betrieben. Ihnen zuzuschreiben ist auch die Verbreitung des Fußballs in Böhmen, nachdem Erich von Thurn und Taxis aus Cambridge zurückgekehrt war und 1893 auf dem Gut Loučeň die „Schloss-Fußballmannschaft“ gründete. Dieser erste böhmische Fußballverein existiert noch heute unter dem Namen FK Loučeň. Nicht zuletzt ist das schwierigste Hindernis des legendären Pferderennens ‚Velká pardubická‘, der Große Taxis-Graben, nach der berühmten Familie benannt. Er ist nach dem leidenschaftlichen Reiter Egon Maximilian von Thurn und Taxis benannt, der sich einst in der ostböhmischen Stadt an der Elbe niederließ. Die Fortsetzung des böhmischen Zweigs des Adelsgeschlechts Thurn und Taxis war Fürst Rudolf, ein späterer böhmischer Patriot, der sich mit seinen Aktivitäten und dem Mäzenatentum von K. J. Erben, B. Němcová, A. Dvořák und B. Smetana stolz zur tschechischen Nation bekannte. Gegen Ende seines Lebens und wahr-scheinlich auch auf Drängen seiner Familie ersuchte er um die Änderung seines Namens in Freiherr von Troskow. Die Nachkommen dieses bedeutenden Geschlechts, Věra und Jiří Troskov, leben bis heute mit ihren Familien in Tschechien.

Im Oktober findet zum 133. Mal in der ostböhmischen Stadt Pardubice das legendäre internationale Pferderennen ‚Velká pardubická‘ statt. Sein schwierigster Sprung, der Große Taxis-Graben, wurde nach Egon Maximilán Thurn und Taxis benannt, der sich in Pardubice niederließ und Parkours und Rennen veranstaltete. Haben Sie dieses Rennen jemals besucht und welche Beziehung haben Sie persönlich zu Pferden? 

Ich möchte das Pferderennen in Pardubice unbedingt einmal erleben, denn ich war bisher leider noch nicht dort. Aber in unserer Familie haben wir alle reiten gelernt und  lieben Pferde. Bedauerlicherweise halten wir heute keine mehr.

Die Familie Thurn und Taxis brachte unter anderem den Fußball nach Böhmen. Wie stolz ist Ihre Familie darauf und welche Rolle spielt der Fußball in Ihrer Familie, z.B. während  Welt—meisterschaften und Europameisterschaften?

In unserer Familie haben wir leidenschaftliche Fußballfans. Deshalb wird  jedes Länderspiel mit riesiger Begeisterung verfolgt. Eine weitere meiner Vorlieben, was den Sport anbelangt, ist Tennis.

Ihr Sohn Albert ist ein begeisterter Auto-rennfahrer, der wiederholt  auch an der Rallye in Český Krumlov teilgenommen hat. Machen Sie sich als Mutter außer um ihn selbst auch Sorgen wegen seiner Stammhalterfunktion?

Natürlich mache ich mir Sorgen. Aber Albert liebt die tschechische Rallye-Meisterschaft. Er beteiligt sich  darüber hinaus an  der „Rallye Bohemia“, der „Rallye Barum“, der „Walachischen Rallye“ und  der „Drei-Länder-Rallye“, die in Prag beginnt. Albert liebt Tschechien. Man spürt, dass er auch tschechisches Blut in seinen Adern hat.

Wenn wir schon bei der Stammhalterfunktion sind, welche Eigenschaften muss Albert als Familienoberhaupt von Thurn und Taxis für sein Amt mitbringen?

Er muss in erster Linie ein aufmerksamer, höflicher und charmanter Gentleman sein. Er muss sich für die Menschen interessieren, die sein Haus und seine Güter verwalten. Und er muss ein offenes Herz für Bedürftige haben. 

Haben Sie eine persönliche Botschaft, die Sie Ihren Nachfolgern  hinterlassen möchten?

Die Liebe zu Gott Vater und zur Mutter Gottes, ohne die auf der Erde nichts funktionieren kann. Denn Dankbarkeit und Treue sind  Tugenden, die ich vorleben möchte.

Dieser Artikel erschien in der fünfte Ausgabe des Printmagazins N&N Czech-German Bookmag

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