Was für eine Erde werde ich erben?

Deutschland will in Europa die grüne Revolution voran­treiben , und die Tschechische Republik will nicht zurück­bleiben. Aber was denken diejenigen über die Klimakrise, die am meisten von ihr betr­offen sind? Anna Müllerová, eine 15-jährige Schülerin aus Prag, schrieb für N&N einen kleinen Aufsatz über eine große Frage.

🇨🇿 Tento článek si můžete přečíst i v češtině: Jakou zemi zdědím?

Ich wünsche den Lesern einen schönen Sommertag. Ein weiterer heißer Tag, an dem wir jungen Leute wieder einmal daran erinnert werden, dass sich die Lebensbedingungen auf unserem Planeten verschlechtern, was Euch Erwachsene nicht sonderlich interessiert. Ich meine, Ihr sagt zwar, dass es Euch interessiert, tut aber so, als ob nichts geschehen würde. Ihr habt es gut. Ihr werdet Eure Tage in einer Welt beschließen, die sich nicht so sehr von der heutigen unterscheidet. Aber was wird mit der nächsten Generation? Was wird mit uns? 

Also Erwachsene, versucht, Eure Sorgen für einen Moment beiseite zu schieben und hört Euch an, welche Sorgen wir haben. Wie es um unsere „Klimaangst“ steht. Die Erde ist unser einziger Planet, wir haben keinen Ersatz. Die Kinder von Elon Musk ziehen vielleicht zum Mars, aber die meisten von uns werden hier bleiben.

Die renommierte wissenschaftliche Zeitschrift The Lancet befragte weltweit insgesamt 10 000 Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren. Die Hälfte der Befragten nannte in Verbindung mit dem Klimawandel Gefühle wie „Traurigkeit, Angst, Wut, Hilflosigkeit und Schuld“. Weshalb Schuldgefühle? Das hat mich stutzig gemacht. Wir jungen Menschen sind doch nicht schuld an dem heutigen Zustand der Welt. Und wir protestieren gegen den Raubbau und die Verschmutzung des Planeten, also warum sollten wir uns schuldig fühlen?

Andererseits fühle ich mich manchmal doch schuldig. Denn ich habe das Gefühl, dass ich nicht wirklich etwas tue. Ich selbst gehe zu Fridays-for-Future-Demonstrationen, aber es scheint mir, dass dies die Erwachsenen nicht sonderlich interessiert.

Hunger games

Außerdem reicht es wirklich nicht aus, nur zu demonstrieren und über Probleme zu reden. Ich zum Beispiel kaufe in Supermärkten möglichst nur das, was umweltfreundlich ist und vor allem esse ich kein Fleisch. Denn auf Instagram zu prahlen, wir gehen die Erde retten, und dann ein Riesenstück Fleisch zu verdrücken, kommt mir ein bisschen wie Heuchelei vor. Kein Fleisch zu essen ist bezogen auf den CO2-Fußabdruck und das Mitgefühl für andere fühlende Wesen einfach die wichtigste Entscheidung, die jeder treffen kann. Wie grausam die industrielle Zucht für die Tiere ist und wie die Zucht so vieler Tiere zu den globalen Emissionen beiträgt, wissen wir doch bereits alle. Trotzden verzichtet in Deutschland nur 10 Prozent der 15- bis 29-Jährigen, und in Tschechien 5 Prozent der Menschen drauf. Ich würde nicht einmal fordern, ganz auf Fleisch zu verzichten, aber der Konsum kann doch eingeschränkt werden. Vielleicht haben Sie schon einmal das Wort „Flexitarier“ gehört. Das ist eine Person, die Fleisch beispielsweise nur einmal pro Woche isst. Ich hätte gedacht, dass meine Generation das schon verstanden hat, aber sobald McDonald´s Nuggets zum Sonderpreis ankündigt, entfachen sich um mich herum wahre Hunger games.

Oder zum Beispiel das Einkaufen in großen Geschäften wie Primark und H&M. Das ist eine weitere Heuchelei meiner Generation. Junge Leute kaufen bei diesen Marken ein, weil sie billig sind. Und sie werden nur billiger, wenn sie noch weniger umweltfreundlich sind, das weiß ja schon ein Schulkind. Doch als Primark kürzlich mit einer Kollektion aus recycelten Materialien aufwartete, wurde das Geschäft fast heiliggesprochen. Hat aber überhaupt jemand ihre „ethischen Regeln“ gelesen? Ich ja, und sie kommen mir irgendwie spanisch vor. Sie haben etwa eine Million Zeichen, sind voll von Begriffen wie „Rassismus“ und „Sexismus“, aber ohne wirklichen Sinn. Die überwiegende Mehrheit der Fast Fashion zerstört einfach weiter den Planeten. Und dann gehen junge Leute in dieser Kleidung auf die Straße, um für die Rettung der Umwelt zu demonstrieren.

Aber ich will nicht nur andere kritisieren. Ich sagte, wir tun nicht viel, aber ich persönlich weiß eigentlich nicht einmal, was ich sonst noch tun soll. Wenn man jeden Tag von Abholzungen und Bränden hört und die Menschheit gleichzeitig nichts an ihrem Verhalten  ändert, entsteht so ein Gefühl der Hilflosigkeit, dass man kaum noch Lust hat, weitere Rettungspläne zu schmieden.     

Mein Mitschüler Jára vom Scio-Gymnasium in Prag, ist der Ansicht, dass die Folgen unseres Verhaltens gegenüber der Erde unvermeidlich sind und sich nur hinausschieben lassen. Er meint, dass sich die Erwärmung und somit der Klimawandel nicht aufhalten lassen,  egal was wir auch tun. Ich sehe das nicht so, denn ich glaube, dass unser heutiges Verhalten beeinflussen kann, wie der Planet morgen aussehen wird. 

Das heißt, wir können wirklich etwas bewirken, wenn wir bescheidener leben. Statt Autos mehr öffentliche Verkehrsmittel nutzen, nicht mehr so viele Waren vom anderen Ende der Welt benötigen und sich vor allem vom Fischfang verabschieden, damit sich der Ozean wenigstens ein bisschen erholen kann.Schließlich ist es der Ozean, der den größten Teil der Emissionen aufnimmt, und wenn wir so weitermachen, werden wir ihn bald leer fischen und das Meer wird tot sein. Wir könnten auch den Anbau von Sojabohnen anstelle der heutigen Regenwälder aufgeben. Soja führt uns wieder zum Fleisch – ohne Soja gäbe es nicht so viel Fleisch und es wäre nicht so billig. Ich höre schon Eure Antworten: „Auf billiges Fleisch verzichten? Bist du verrückt geworden?“ Nein, ich glaube, hier ist jemand ganz anderer als ich verrückt.

Roboter sapiens

Natürlich ist die Umwelt nicht das einzige Problem der Zukunft, aber es hängt mit allem anderen zusammen, insbesondere mit der Bildung. Mein Mitschüler Jára denkt zum Beispiel über den Lehrerberuf nach. Vielleicht wird er auch Politiker, um das ganze Bildungssystem zu verändern. Ich stimme ihm zu, wenn er sagt, dass das, was heute an den Schulen gelehrt wird, größtenteils nutzlos und im normalen Leben unbrauchbar ist. Ich hoffe, dass sich künftige Lehrer mehr auf die Fähigkeiten als auf die Kenntnisse der Schüler konzentrieren werden. Es ist doch wichtig zu wissen, wie man z. B. mit der Zeit oder in Teamgruppen arbeitet – das sind die Fähigkeiten, die wir wirklich brauchen werden.

Eine Verbesserung des Schulwesens könnte beispielsweise zu einer besseren Staatsführung führen. Es könnte Menschen lehren, besser mit Stress umzugehen, oder sie auf die bevorstehenden globalen Herausforderungen vorbereiten. Politiker würden sich dann mehr der  Nachhaltigkeit widmen – sei es in ihrem Büro, zu Hause, in den sozialen Netzwerken, in den Medien. Sie würden unsere „Klimaangst“ zur Kenntnis nehmen und aufhören, sich darüber lustig zu machen.

Meine Freundin Ela glaubt, dass immer mehr Dinge digital werden. Angeblich bräuchten wir kein Papier mehr zu verwenden, jedenfalls nicht in der Menge, wie wir es jetzt tun. Stellt Euch vor, Euer Enkel kommt zu Euch und fragt Euch, warum Ihr ein paar weiße Stücke von etwas Seltsamem, das wie geklebter Putz aussieht, auf Eurem Schreibtisch habt. Und Ihr sagt dann mit der Stimme eines alten Mannes: Das ist ein Buch, mein Junge.

Vielleicht belasten wir die Umwelt weniger, wenn wir virtuell leben. Oder vielleicht wird sich die Menschheit selbst reduzieren und durch eine andere, nicht so animalische Spezies ersetzt. Als ich „can robots“ in eine Suchmaschine eingab, war das erste, was im Angebot erschien, der Satz „can robots replace humans?” (können Roboter Menschen ersetzen?). Vielleicht werde ich mich in einem Bunker unter dem Apple Park in Kalifornien vor schlecht funktionierenden Robotern verstecken. Dank der Welle von dystopischen Teenager-Serien kann ich mir wirklich schon alles vorstellen.

Meine Deutschen verstehen mich

Meine Altersgenossen in Deutschland haben den Vorteil, dass der Klimawandel direkt in den Schulen behandelt wird, als Teil des Lehrplans, so dass sie dem tschechischen Bildungssystem ein wenig voraus sind. Vim (19) aus Berlin sagt, dass 70 Prozent seiner Garderobe aus zweiter Hand stammt und dass er gerade in der Schule viel über Ökologie gelernt hat. Seiner Meinung nach gibt es in Berlin aber eine Menge junger Menschen, die mit der aktuellen Wirtschaftslage unzufrieden sind. Er selbst demonstriert recht sporadisch für das Klima, arbeitet in der Werbung und sieht seine Zukunft in dieser Branche. Seiner Meinung nach gibt es in Berlin aber eine Menge junger Menschen, die mit der aktuellen Wirtschaftslage unzufrieden sind. In Berlin wird viel über gerechtere soziale Verhältnisse gesprochen und demonstriert. 

Sein Freund Leo (19) meint, dass gerade die Ungleichheit die Lösung von Umweltproblemen erheblich beeinflusst. Und damit hat er Recht. Selbst der ärmste Mensch in Deutschland oder Tschechien kann immer noch überleben. Er hat etwas zu essen, denn es gibt überall Organisationen, die Essen bereitstellen und im Winter für Unterkunft sorgen. Ist man kein Alkoholiker oder Drogensüchtiger, wird man weder verhungern noch erfrieren. In Indien hingegen wissen viele Menschen morgens einfach nicht, ob sie über den Tag etwas zum Essen auftreiben werden.

Und solange es ein so großes Gefälle zwischen den Menschen auf dem Planeten gibt, wie das zwischen Europäern und z. B. Indern, wird es schwierig sein, Umweltprobleme zu lösen. Leo sagt: „Die kleinen Dinge, die wir in Deutschland tun, werden uns im großen Maßstab nicht helfen. Wenn China und Indien nicht mit dem Rest der Welt an einem Strang ziehen, wenn es um die globale Umwelt geht, haben wir keine Chance.“ 

Aber es ist auch wichtig, diese umweltfreundlichere Zukunft zu erreichen, ohne eine neue grüne Diktatur einzuführen. Ich möchte auch nicht im Namen des Green Deals oder anderer Herausforderungen vorgeschrieben bekommen, was ich kaufen darf und was nicht, wohin ich reisen darf und was ich denken soll. Aber schaffen wir es, uns freiwillig einzuschränken? Das ist ein echtes Dilemma.

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