Das Buch Zeď mezi námi/Die Mauer zwischen uns betrachtet Schicksale von in Deutschland lebenden Tschechen und in Tschechien lebenden Deutschen

Wie nah oder fern sind sich Deutsche und Tschechen heute? Sollte man überhaupt von irgendeiner Mauer zwischen uns sprechen? Und welche Lebensschicksale bringen Tschechen dazu, nach Deutschland zu gehen und was führt Deutsche wiederum zu einem Leben in Tschechien? Nicht nur auf diese Fragen sucht die neue zweisprachige Publikation Zeď mezi námi/Die Mauer zwischen uns eine Antwort.

Der Verlag EDIKA und Black Swan Media bringen in dem neuen Buch einzigartige Aussagen von Menschen näher, die unsere gemeinsame deutsch-tschechische Geschichte schreiben. Fünfzehn Kapitel voller Emotionen, fünfzehn unterschiedliche menschliche Schicksale, fünfzehn verschiedene Sichtweisen auf historische Momente und eine Alltagsgeschichte des vergangenen halben Jahrhunderts.

Sie haben etwas zum Vergleichen

Hier sprechen Persönlichkeiten, die etwas zu vergleichen haben, wie der ehemalige Direktor der Nationalgalerie, Jiří Fajt, der vor zwanzig Jahren nach Berlin zog. „Die politische Kultur ist, ebenso wie die Arbeitskultur, in Deutschland ganz anders. Wenn Sie zum Beispiel mit jemandem in einer leitenden Funktion in Tschechien in Konflikt geraten, können Sie im Prinzip gleich das Fach wechseln. Wenn Ihnen das in Deutschland passiert, gehen Sie einfach an eine andere Institution in einer Stadt, die etwas weiter weg liegt – das Land ist groß genug. Und in Deutschland wird auch viel mehr auf tatsächliche berufliche Qualifikationen und Fähigkeiten geachtet als auf freundschaftliche Verhältnisse, was (leider) in Tschechien häufig der Fall ist“.

Der Korrespondent der „Welt“, Hans-Jörg Schmidt, der seit 30 Jahren in Tschechien lebt, kann die nationalen Charaktere vergleichen. „Tschechen und Deutsche sind sich sehr ähnlich, also ist es für Deutsche sehr einfach, hier zu leben. Die Leute sind intelligent, sie sind geschickt, sie sind etwas anders als die Deutschen, weil sie nicht so viel planen, sie sind flexibel und sitzen nur ungern dreimal täglich im Meeting und überlegen, was wie gemacht wird. Die Tschechen gehen einfach los und machen. Sie machen auch keinen so großen Zirkus um ihre Person. Tschechen können auch noch normal leben, und ich hoffe, das hält. Die Deutschen leben für die Arbeit. Ich möchte neben der Arbeit auch leben und ich weiß, dass das in Prag wesentlich besser geht als in Deutschland, und es ist ganz egal, wo“. 

Der langjährige ARD-Korrespondent Jürgen Osterhage sagt: „Oft habe ich deutsche Freunde nach Prag eingeladen – sie sollten einen Ausflug hierher machen, aber sie hatten oftmals kein Interesse. Ich denke, die Deutschen stecken die Tschechische Republik immer noch in die Schublade mit der Aufschrift Osten, aber es reizt sie einfach mehr, in den Westen zu reisen. Das ist eine Art mentale Mauer, die sich noch immer in den Köpfen der Menschen befindet, auch mehr als dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer“. 

Auf der anderen Seite erwähnt Klára Kunze, eine Lehrerin, die 2014 in Deutschland geheiratet hat, eine positive Erfahrung. „Meine Eltern haben nicht geglaubt, dass ich eine gute Arbeit finde. Sie dachten, ich als Tschechin würde als billige Arbeitskraft aus dem Osten wahrgenommen“, sagt Klára ganz offen. Darauf traf sie jedoch nie, im Gegenteil, sie hat ihren Worten zufolge nur gute Erfahrungen. „Ich glaube, Tschechen werden hier sehr positiv wahrgenommen, ich habe sogar eine Deutschlehrerin getroffen, die Tschechien so liebt, dass sie plant hinzuziehen, wenn sie in Rente geht!“

Ärzte, Unternehmer und Journalisten

Das Buch ist voller Geschichten, erzählt von realen Menschen, deren Wege über mehrere Mauern führten. Seien die Erzählenden Künstler, Ärzte, Unternehmer oder Journalisten, was sie alle verbindet, ist der Mut weiterzugehen und nicht aufzugeben. Das Vorwort zu dem Buch schrieb der Direktor des Tschechischen Zentrums in Berlin Tomáš Sacher, den Epilog der Botschafter der Tschechischen Republik in Deutschland Tomáš Kafka.

Das Buch verspricht ein glückliches Ende und nicht leichte Entscheidungen, die Suche nach Freiheit und Kleinigkeiten, die eine Heimat zu einem wirklichen Zuhause machen. Dies alles haben in den einzelnen Texten die Autorinnen Danuše Siering, Veronika Jonášová, Kateřina Černá und Karin Zadrick eingefangen, deren Lebenswege in unterschiedlichem Maße auch mit deutsch-tschechischen Fragen verflochten sind.

Buch Die Mauer und das Brandenburger Tor. Foto: Archiv der Autoren

„Jeder Mensch hat seine Geschichte. Jemand verlässt sein Heimatdorf sein ganzes Leben lang nicht, ein anderer breitet seine Flügel aus und begibt sich über Grenzen hinweg ins Unbekannte, in ein fremdes Land mit einer anderen Sprache, mit unterschiedlichen Bräuchen und einer anderen Tradition. Von solchen Menschen handelt unser Buch“, sagt Danuše Siering, Koautorin und Initiatorin des Buches, die 1986 mit Hilfe von Freunden die Tschechoslowakei in Richtung Westberlin verließ. „Das Buch soll eine Inspiration sein für diejenigen, die Mauern abreißen und Brücken bauen. Und zwar auch diejenigen, die aus sehr weit entfernten Dörfern stammen“, fügt Danuše Siering hinzu, die derzeit abwechselnd in Berlin und in Prag wirkt.

Menschen auch in Bildern

Das Buch Zeď mezi námi/Die Mauer zwischen uns ist jedoch nach Aussage der Autoren nicht nur inspirierende Lektüre. Es ist auch ein Buch, das jeden Liebhaber minimalistischen Designs erfreuen wird, das zu den bunten Geschichten der Protagonisten im Kontrast zu stehen scheint. Beim Durchblättern des Buches begleiten den Leser auch eigene Fotografien, dank denen sie noch einen tieferen Einblick in die einzelnen Geschichten erhalten.

Das zentrale Thema dieses Buches bietet mehrere Sichtweisen, wie man es lesen kann, die Verbindungslinie jedoch bleiben die Menschen. Zeď mezi námi/Die Mauer zwischen uns bietet unter anderem vor allem Inspiration und die Hoffnung, dass man, wenn man Mut hat, schließlich jede Mauer durchbrechen kann. Das Buch Zeď mezi námi/Die Mauer zwischen uns ist ab dem 21. Januar 2021 unter Albatrosmedia.cz und auch in einigen Buchhandlungen erhältlich.

Herausgegeben mit freundlicher Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds.

Hier finden sie den Text in der tschechischen Sprache.

Meistgelesene Artikel im ArtDesign

Aktuell auf der deutschen Website

Vandals von Marek Schovánek in Prag

       ·   22.09.2024
Marek Schovánek wurde in Prag geboren und verbrachte seine Kindheit mit seinen Eltern im kanadischen Exil, was seine Sensibilität für Fragen der Identität, des Exils und der kulturellen Schnittstellen grundlegend prägte. Heute lebt und arbeitet

Unerahnte Erlebnisse auf dem Fall-Festival in DOX

       ·   17.09.2024
Alberto Manguel, Max Porter, Gebrüder Quay, Bianca Bellová, Ali Kazma, Dimitri Verhulst oder Josef Bolf sind nur einige von vielen Persönlichkeiten, denen man in der kommenden Tagen im Zentrum für die Gegenwartskunst DOX in Prag

Festhalten und Erden 

       ·   02.09.2024
„Das Seil ist ein Anker“, behauptet die deutsche, in Barcelona lebende Trapeze-Künstlerin Vivian Friedrich. Zum Schluss des Prager Akrobatik-Zirkuses Letní Letná führte sie das Stück Kristall Bohème auf. Darin thematisiert sie ihre böhmischen Wurzeln.

Aktuell auf der tschechischen Website

Vandals Marka Schovánka v Praze

       ·   22.09.2024
Pochází z Prahy. Dětství strávil v kanadském exilu, což zásadně formovalo jeho citlivost vzhledem k identitě a kulturnímu rozhraní. Dnes Mark Schovánek žije a tvoří střídavě v Berlíně a v Praze. 

Netušené zážitky na festivalu FALL v DOXu

       ·   17.09.2024
Alberto Manguel, Max Porter, bratři Quayové Bianca Bellová, Ali Kazma, Dimitri Verhulst či Josef Bolf jsou jen některé z osobností, které budou v příštích dnech moci potkat návštěvníci pražského Centra pro současné umění DOX.

České tóny Dvořákovy Prahy 

       ·   10.09.2024
„To byl nářez!“, prohlásil na konci koncertu pán sedící vedle mě. Stejné nadšení sdílel zaplněný sál pražského Rudolfina, ve kterém bouřlivý standing ovation nebral konce. Letošní Dvořákova Praha nemohla začít lépe.