Michaela Horáčková Hořejší: Wenn ich meinen Oscar abhole…

Sie kleidete Amundsen in Kojotenfell und Lucie Bílá, unsere Goldene Nachtigall, in Gold. Und ebenso Franz und Adina auf dem N&N Cover. Sie ist Autorin von 159 Theaterinstallationen. Und von Kostümen für eine Reihe von Netflix-Serien. Sie dreht in Tschechien, in Deutschland und anderswo in Europa. Michaela Horáčková Hořejší setzt die große Tradition des tschechischen Film- und Theaterschaffens fort.

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Was macht Ihnen am meisten Spaß an Ihrer Arbeit und wie sind Sie eigentlich dazu gekommen?

Meine Motivation, diesen Weg einzuschlagen, hängt mit dem Animationsfilm zusammen, der mich im Alter von etwa elf Jahren auf der Ausstellung im Schloss Kratochvíle faszinierte, wo die Puppen von Jiří Trnka zu sehen waren. Dort beflügelte mich vor allem eine Sache, nämlich dass man alles, was man will, auch realisieren kann. Man kann eine ganz neue Welt schaffen.

Die tschechischen Zuschauer kennen Sie wahrscheinlich vor allem durch die Serie Die Erste Republik. Wo konnte man Ihre Kostüme und Szenen noch sehen?

Ich bin Autorin von 159 Theaterinstallationen aller möglichen Genres von der Oper bis zum freien Bewegungstheater. Mit der Zeit habe ich auch den Film hinzugenommen, und mit der Gründung meines eigenen Studios und meiner eigenen Kollektion wollte ich zeigen, dass ich zu großen Dingen bereit bin. Seit meinem zwölften Lebensjahr wusste ich nämlich, was ich anziehen würde, wenn ich mir meinen Oscar abhole. Ich sage das nicht als arrogante Vision, sondern eher um meinen persönlichen Ansatz zu umreißen. 

Aber ich muss sagen, ich hatte wirklich Glück, und so habe ich angefangen, an großen europäischen Projekten zu arbeiten. Einer meiner bahnbrechenden Filme, Amundsen, wurde zum Beispiel in Skandinavien gedreht. Für manch einen mag es eine Überraschung gewesen sein, dass eine Tschechin die Kostüme für einen norwegischen nationalen Film entwirft, und tatsächlich gab es viele Dinge, die für mich neu und unerforscht waren, wie die Kleidung der Eskimos und Polarforscher. Trotzdem fühlte ich mich dort voll in meinem Element. Der Höhepunkt des Ganzen war jedoch, dass wir dank unseren Kleidungsstücken vom Direktor des Fram-Museums in Oslo, das die gesamte Geschichte von Amundsen und den Polarexpeditionen dokumentiert, angesprochen wurden. Und schließlich wurde Amundsens ursprünglicher Wolfsanzug, der im Museum ausgestellt war, durch unseren ersetzt, der aus Kojoten gefertigt war. Darüber hinaus können die Besucher dort auch unsere Eskimo-Kleidung sehen. Darauf bin ich stolz.

Erforderten diese speziellen Kostüme irgendwelche ungewöhnlichen Verfahren?

Bei der Herstellung der Kostüme sind wir natürlich darauf gestoßen, dass diese sogenannten primitiven Kulturen alles hervorragend bis ins Detail ausgeklügelt hatten und das Fell der beste „Windstopper“ ist, dem keine Technologie konkurrieren kann. Also begannen wir so zu nähen, wie die Eskimofrauen nähen können, und folgten ihrer Vorgehensweise und ihrem Arbeitsstil. Die Schauspieler trugen schließlich das, was die Polarforscher tatsächlich trugen, und es war ihnen überhaupt nicht kalt, obwohl sie beispielsweise zwölf Stunden auf einem Gletscher drehten. Man könnte sagen, wir haben die technischen Errungenschaften über Bord geworfen und uns wirklich in das ursprüngliche Handwerk vertieft. Es hat sich herausgestellt, dass dies einfach der beste Weg ist. 

Michaela Horáčková Hořejší. Foto: Ivy E. Morwen

Sie sagten, Amundsen war ein Wendepunkt. Was kam danach? 

Es kamen weitere Großaufträge mit ausländischen Produktionen, die in Tschechien drehten, und im Ausland arbeitete ich zum Beispiel an einer dänischen politischen Serie oder an der Serie Shadowplay, auf Deutsch Schatten der Mörder, die auf Netflix zu sehen ist. Dann folgte die Serie Oktoberfest: Bier und Blut, eine komplett deutsche Produktion, unter anderen mit der großartigen Martina Gedeck. Die Kooperation mit Deutschland führte dann zu meiner Teilnahme am Projekt Das Weiße Haus am Rhein über ein Hotel, das Geschichte gemacht hat. Wir haben die Zeit um die Weltkriege gefilmt, als Berühmtheiten wie Charlie Chaplin und Marlene Dietrich in diesem Hotel wohnten und dessen Gebäude später eine der Residenzen von Adolf Hitler war. 

Das musste, bezogen auf die Kostüme, eine Herausforderung gewesen sein…

Ja, der Zeitraum von 1900 bis 1918 ist ziemlich kompliziert. Man findet kaum etwas im üblichen Fundus, also mussten wir alle Kostüme selbst herstellen. Aber es war wundervoll – das Ablegen des Korsetts, die ersten Hosen an Frauen, aber auch die Uniformen, die ich liebe. Und die Choreographie hat uns zum Beispiel die Choreographin gemacht, die alle Tanzpassagen in Babylon Berlin entwickelt und einstudiert hat. 

Haben Sie ein Modell, auf das Sie besonders stolz sind? 

In Shadowplay war beispielsweise die gesamte Garderobe von Tuppence Middleton äußerst gelungen, denn sie stellt einen destruktiven Charakter dar. Ihre Kleider sind von der Antike inspiriert, und ich habe bei den Entwürfen immer mit etwas gearbeitet, das sie einhüllt und fesselt. Es stand ihr sehr gut, aber gleichzeitig war es irgendwie schmerzhaft.

Wie läuft die Vorbereitung der Kostüme ab? Und nähen Sie sie auch selbst mit?

Man braucht immer Leute, die in der Lage sind, das zu verwirklichen, was man sich ausgedacht hat. Ich kann nähen, aber ich tue es grundsätzlich nicht im Rahmen meines Berufs und überlasse es den Fachleuten in der Werkstatt. Meine Aufgabe ist es, zu erklären, welchen Eindruck sie hervorrufen sollen. Die Person, die am engsten mit mir zusammenarbeitet, ist der Schneidermeister, der den Schnitt nach meinem Entwurf vorbereitet, ihn an die Werkstatt weiterleitet, wo ein Probemuster angefertigt wird.
Und dann sehen wir, ob wir uns verstanden haben. 

Für welches Genre kreieren Sie am liebsten Kostüme? 

Für Märchen und historische Dramen. Was ich an historischen Dramen mag, ist die Tatsache, dass die Menschen immer noch dieselben sind und dieselben Themen haben. Sie wollen wissen, ob sie geliebt werden und ob sie lieben. Das Einzige, was sich ändert, sind die Umgangsformen und die Zeit, die in unserem Fall immer zu schnell läuft. 

Bei historischen Geschichten stützen wir uns natürlich immer auf historische Quellen und versuchen, uns die Situation so realistisch wie möglich vorzustellen. Wir haben zum Beispiel darüber nachgedacht, wie sich eine Berlinerin, die in einem zerbombten Haus lebt, ein Kleid beschafft, und wir haben eines aus Gardinen gemacht, weil wir wussten, dass man damals keinen Stoff kaufen konnte und die Frauen in Berlin kein Geld hatten. Am Ende war es fast eine Performance, deren Ergebnis ein Kleidungsstück wie von Vivienne Westwood war.

An welchen Projekten arbeiten Sie gerade? Worauf können wir uns freuen? 

Ich arbeite an einer großen Serie, die den Arbeitstitel Das Kaufhaus trägt. Es handelt sich um eine dramatische und romantische Serie über die Schicksale der Verkäuferinnen im Prager Kaufhaus Bílá Labut‘, das einst das modernste Kaufhaus unseres Landes war. Was die Mode betrifft, so sind die 1940er Jahre wahrscheinlich die lukrativste und schönste Mode, die auch einen großen Bezug zur Gegenwart hat. Das Gefühl der Bedrohung, das wir heute nach der Coronavirus-Pandemie haben, und das Bewusstsein der Kriegsgefahr… Ich hoffe, dass eine Serie wie diese den Menschen zeigen kann, dass sie viel mehr tun können, als sie dachten, und dass der größte Schatz die Fähigkeit ist, sich unter allen Umständen menschlich zu verhalten.

Dieser Artikel erschien im Printmagazin N&N Czech-German Bookmag

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