Sláva Daubnerová befindet sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und ihr Projekt ist auch für das Nationaltheater von immenser Bedeutung. Die Aufführung von Wagners Ring, der in der Opernwelt als das kostspieligste Werk gilt, ist ein äußerst seltenes Wagnis. „Ich wurde von Per Boye Hansen, dem künstlerischen Leiter des Nationaltheaters und der Staatsoper, angesprochen. Wir hatten bereits erfolgreiche Projekte und ich fühle mich sehr geehrt, dass er mir den Ring anvertraut hat. Er ist ein erstaunlicher Visionär, ein wahrer Theaterkünstler, und ich freue mich, den nächsten künstlerischen Abschnitt meines Lebens am geliebten Nationaltheater verbringen zu dürfen. Ich kann mir nicht vorstellen, ein ähnliches Projekt an einem anderen Theater und unter den Fittichen eines anderen Intendanten zu realisieren. Ebenso kann ich mir nicht vorstellen, dies mit einem anderen Musikdirektor und Dirigenten als dem großen Robert Jindra und mit einem anderen Bühnenbildner als Boris Kudlička zu machen. Ich bin dankbar für das Vertrauen des Nationaltheaters,“ sagt Sláva.
Sláva Daubnerová hat sich in der tschechisch-slowakischen und internationalen Szene mit unverwechselbaren Produktionen etabliert, die Theater, Film und Performance verbinden. Ihre Karriere begann in ihrer slowakischen Heimat, wo sie an einer Reihe von experimentellen Projekten beteiligt war.
Wagner heute
Am Anfang eines jeden Projekts stehen für sie die Beschäftigung mit dem Komponisten, dem Text und dem Werk sowie die theoretische Auseinandersetzung mit der Thematik, auch Sekundärliteratur aus den Bereichen Philosophie, Anthropologie, Soziologie ist wichtig, gleichsam wie das Sammeln von visuellen Anregungen. Bei langfristigen Projekten muss das Konzept ein Jahr im Voraus eingereicht werden, manchmal sogar etwas früher. Was an sich schon nicht einfach ist. „Man ist nicht mehr derselbe Mensch wie vor einem Jahr, in einem Jahr verändert sich die Welt um einen herum, worauf ich als Regisseurin zu reagieren versuche. Bei einem so langfristigen Projekt wie Der Ring, das 2028 seinen Höhepunkt erreichen wird, ist es äußerst wichtig, damit zu rechnen. Aber das absolut Wichtigste ist, einen eigenen Ansatz zu finden. Im Grunde dreht sich plötzlich alles um dieses Projekt. Von Zeitungsberichten über die neueste Forschung bis hin zu den Banalitäten des Alltags. Die Inspiration ist allgegenwärtig. Kurz gesagt, bedeutet das, die nächsten Jahre mit dem Ring zu leben“, erklärt sie.
Alle Teile von Wagners Tetralogie werden sukzessive von Februar 2026 bis Mai 2028 am Nationaltheater aufgeführt. „Der Ring ist ein langfristiges Projekt, und ich mag Langstreckenläufe. Selbst als Solistin habe ich gern in sog. Zyklen gearbeitet, in einer Art Trilogie. In der Oper ist das kaum möglich. Die Titel, die ich fortlaufend inszeniere, sind oft völlig entgegengesetzt, von Puccini, Verdi über Strauss bis Janáček. Mit Wagner kann ich mich endlich systematisch und langfristig mit einem Werk befassen“, fügt Sláva hinzu.
Befürchtungen hegt sie nur dahingehend, nicht zu vergessen, hin und wieder von diesen „langen Tauchgängen“ aufzutauchen. „Das ist wahrscheinlich das Schwierigste am künstlerischen Schaffen, es gibt keine gesunde Grenze. Vielleicht schützt mich diese Art von Tauchgang aber auch teilweise vor der Außenwelt, zum Beispiel vor dem, was andere denken. Wenn ich mich mit Ängsten blockieren würde, könnte ich nie etwas schaffen. Kurzum, man muss den Mut haben, ins Wasser zu springen, ohne zu wissen, wie tief es ist. Kunst ohne Risiko ist keine Kunst. Ich gehe jedes Projekt mit Demut an, was ist in diesem Fall nicht anders ist. Aber man muss schon ein bisschen verrückt sein und einfach springen.“
Auf dem Weg durch die Melancholie
Und in der Tat sind die Erwartungen hoch. Die Oper wird zwar in erster Linie für das tschechische Publikum vorbereitet, doch auch das ausländische Publikum wird neugierig auf Wagners Tetralogie sein, wie sie vom Nationaltheater konzipiert wurde. Aber Sláva Daubnerová ist an Druck gewöhnt. Sie meisterte ihn, als sie die Weltpremiere der Oper Melancholia nach dem Film von Lars von Trier an der Kungliga Operan in Stockholm inszenierte. „Ein Film, der nicht reproduzierbar ist, ein Thema, das über den Menschen hinausgeht, ein schwieriges Thema, der Schatten des genialen Lars von Trier, enorme Erwartungen. Das war eine große Schule für mich und eine perfekte Vorbereitung auf Ragnarök (in der nordischen Mythologie eine Reihe von Ereignissen, die in das Ende und die Wiedergeburt der Welt münden – Anm. d. Red.), die ich vor mir habe.“
Internationaler Erfolg ist nicht umsonst, er fordert seinen Tribut. „Meine Arbeit ist eine einsame Disziplin, und ich denke, man braucht vor allem innere Stärke, um diverse herausfordernde Situationen, lange Zeiten der Einsamkeit und ein unregelmäßiges Leben fern von Zuhause, Familie und Freunden zu ertragen. Jedes neue Projekt wird zur Heimat und schafft ein Gefühl der Verbundenheit mit den neuen Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Ich denke, meine Fähigkeit, mich anzupassen und mich auf neue Umgebungen einzulassen, hilft mir dabei. Und ich musste mich an die Tatsache gewöhnen, dass man letztlich allein ist. Und das akzeptieren.“
Slowakische Normalisierung
In der slowakischen Kulturszene gilt sie als eine der wichtigsten Persönlichkeiten, die neuen Kunstformen Raum gibt und keine Angst vor Experimenten hat. Ihre slowakischen Wurzeln spiegeln sich noch immer in ihrem Werk wider, vor allem in der starken Verbindung mit volkstümlichen Motiven, Musik und Poesie.
Auch deshalb ist die aktuelle von der Politik beeinflusste Krise der slowakischen Kulturszene ihr persönliches Anliegen. „Niemand kann die Situation ändern, nur wir selbst. Ich hatte das Glück, mich nach langer Zeit durch mein Schaffen zur Situation in meiner Heimat äußern zu können, denn das ist der Weg, der mir am nächsten ist. Die Oper Das schlaue Füchslein, mein Operndebüt in der Slowakei, nahm während der zweijährigen Vorbereitungszeit eine beängstigende Dringlichkeit an. Ich glaube, wir alle sahen sie als ein Manifest der Freiheit. Es war kein Märchen. Mein Schaffen ist meine Antwort auf die gesellschaftliche Situation. Und dann ist das Wichtigste, was uns im Moment hilft, sich zu vernetzen, wie z.B. durch die Plattform Open Culture, die Künstler und Kulturschaffende zusammenbringt. Das Mindeste, was man tun kann, ist, nicht aufzuhören, sich zu kümmern, auch wenn man manchmal keine Lust mehr hat, die Zeitung aufzuschlagen. Seinen Standpunkt mitzuteilen, anderer Meinung zu sein, Petitionen zu unterschreiben, zu Protesten zu gehen, solange man kann und im Land ist. Um im Ausland ein Zeichen zu setzen, dass wir nicht alle mit dem einverstanden sind, was zu Hause geschieht. Um diejenigen zu unterstützen, die angegriffen und bedroht werden. In der Einheit liegt die Kraft, das ist das Einzige, was uns im Moment hilft. Was uns dabei enorm hilft, ist die Unterstützung aus dem Ausland, jede Form von Solidarität.
Ich wünsche mir…
Daubnerová hat große Ambitionen mit dem Ring, dennoch betrachtet sie ihn nicht als etwas Besonderes in ihrem Leben. Sie schließt unser Interview mit den Worten: „Ich bin in einem Alter, in dem man den Wert des eigenen Lebens mehr zu schätzen weiß als früher. Ich wünsche mir, genug körperliche Kraft zu haben, denn auch darum geht es in meiner Arbeit. Um die Bewältigung von extremer Belastung. Ich wünsche mir, gesund zu sein, damit ich mich dem widmen kann, was mein Leben mit einem höheren Ziel ausfüllt. Ich sehe den Ring nicht als Karriereziel. Das größte Metier für mich ist, dass das, was ich tue, in erster Linie mich selbst erfüllt, und gleichzeitig die Menschen um mich herum. Im Grunde geht es darum, in der Reise selbst das Ziel zu finden.“
Dieser Artikel erschien in der siebten Ausgabe des Printmagazins N&N – Noble Notes