🇨🇿 Tento článek si můžete přečíst i v češtině: Co můžu ještě říci?
West-Berlin, 1986. In bester Laune sitze ich mit meinen deutschen Freunden in einer Bar in der Fasanenstraße und wir erzählen Witze. Ich füge das klassische tschechische Repertoire hinzu und beginne mit den bekannten Worten: Kohn sagt zu Roubíček…. Die Gesichter meiner Freunde verfinstern sich. Danuš, sprich leise. Du kannst nicht so laut über die Juden reden. Es war das erste und für lange Zeit das letzte Mal, dass mir verboten wurde, etwas laut zu sagen.
Nach 30 Jahren ist die Liste der Unworte fast über Nacht immens gewachsen. Die ersten Flüchtlinge sind angekommen und schon bald ist es nicht mehr leicht, laut zu sagen, ob ich für oder gegen deren Aufnahme bin. Aber das war nur der Anfang. In der Covid-Zeit traute man sich nicht einmal dem engsten Freund zu sagen, dass man nicht geimpft war, weil man sofort wie ein Aussätziger behandelt wurde. Die Corona-Krise brachte auch ein altes Phänomen mit sich: immer mehr Bürger begannen, andere Bürger zu denunzieren. Die Ordnungskräfte sahen sich mit einer starken Welle oft anonymer Anzeigen von Personen konfrontiert, die gegen die Regeln des Coronavirus verstoßen hätten.
Und nicht nur das. Die derzeitige Regierung hat Gefallen an diesem System gefunden. Jetzt kann, ja muss, jeder offiziell denunzieren. Das neue Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet Unternehmen, Meldestellen für Straftaten einzurichten. Informanten dürfen anonym bleiben, Falschmeldungen bleiben straflos. Rund 90.000 Unternehmen und Tausende von öffentlichen Einrichtungen müssen ab Juli 2023 sogenannte Meldestellen einrichten. Wer dies versäumt, dem droht eine Geldbuße von bis zu 20.000 Euro. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, entsteht auf diese Weise ein neuer, riesiger Ermittlungsapparat, der weder im Grundgesetz noch in den Verfassungen der Bundesländer vorgesehen ist. Manchmal genügt nur ein „falsches“ Wort…
„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Mit diesem berühmten Orakelspruch beendete der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein vor hundert Jahren sein Buch Tractatus logico-philosophicus. Heute ist sein Satz eines der geflügelten Worte des Denkprinzips und sein Schöpfer einer der wichtigsten und einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts.
Aber die Menschen schweigen nicht. Und so wächst eine Zeit der Unsicherheit, und der fruchtbare Boden für die Interessen von Einzelnen oder kleinen Gruppen ist oft ein Nährboden für heftigen Widerstand. Sie haben dem Konsens den Kampf angesagt; sie stützen sich auf ihre eigenen Informationsquellen und ihre eigenen Interpretationen, die nicht immer korrekt sind und sein können. Fake ist allgegenwärtig, KI hilft dabei, noch mehr Verwirrung zu schaffen. Jeder, der einen Artikel im Internet gelesen hat, ist heute ein Experte und weiß am besten Bescheid über Klima, Krankheiten, Krieg, Politik und sogar darüber, wie man ein Tor schießt. Es gibt heute so viele Kon-troversen, dass es scheint, als ob eine böse Macht die Leute streitlustig gemacht hätte.
Die Narrative der Mächtigen wiederholen sich und es wird eine Stimmung gegen Andersdenkende gemacht. Klimaaktivisten malen ein Weltuntergangsszenario an die Wand, Zweifler oder gar Neinsager werden kategorisch abgelehnt. Wie wenig bedarf es mittlerweile, um als rechts gebrandmarkt zu werden. Aber wann ist man rechts, und ab wann ist man ein Verschwörungstheoretiker? Besser nicht fragen…. Es ist leicht, in die rechte Ecke gestoßen zu werden, aber nur selten kommt man aus ihr heraus.
Unter der Aufsicht von Woke und Cancel Culture sind einige Bücher, Lieder und kulturelle Aneignungen weltweit ins Rampenlicht gerückt. Winnetou wurde wegen kolonialer Vorurteile kritisiert, Pippi Langstrumpf und Jim Knopf wegen Rassismus. Rotkäppchen ist in manchen amerikanischen Regionen verboten worden. Der Grund dafür war nicht das Aufschlitzen eines lebenden Tieres, sondern eine Flasche Wein, die Rotkäppchen als Geschenk für ihre Großmutter in einem Korb trägt. Der Influencer Will Witt arbeitet seit 2018 für den amerikanischen Sender PragerU, hostete die Show Man on the Street, mit der er in nur wenigen Jahren mehr als 700 Millionen Online-Aufrufe erreicht hat – dank Fragen zur Indoktrination. Er kleidet sich zum Beispiel in traditionelle chinesische oder mexikanische Kostüme und befragt Studenten in Kalifornien, was diese von seinem Kleidungsstil halten. Die Reaktionen sind negativ, und er wird allgemein als kulturell unangemessen abgestempelt. Wenn er jedoch die gleiche Frage den Einheimischen in chinesischen oder mexikanischen Vierteln stellt, wird er gefeiert und bekommt einen Daumen hoch.
Das eigene Geschlecht spielt heute eine endscheidende Rolle, und bei den Meinungen über eine geschlechtergerechte Sprache scheiden sich die Geister. Genderismus versus Genderwahn beherrscht alle Medien. Dazu kommen die verbotenen Wörter wegen Rassismus, Sexismus und anderen -ismen. Die Liste ist bunt wie die Regenbogenfahne: „no goes“ sind Neger, Mohren, Schwarzfahrer, Negerküsse, Pizza Hawaii, Polacke (für Polen, die sich selbst Polak nennen), Zigeuner etc. Aber auch das Wort „Fräulein“ – als ob erst die Heirat eine Frau zur Frau mache; der Begriff wurde deshalb 1972 abgeschafft. In der „Tagesschau“ wurde das Wort „Mutter“ durch „gebärende Person“ ersetzt. Logischerweise ist der Mann/Vater dann die „zeugende Person“.
Wir leben in einer Zeit des schnellen Wandels, der manchmal beängstigend sein kann. Warum ist das so? Die Antwort kenne ich nicht. Aber ich frage mich oft, wie sich mein Großvater in dieser Welt gefühlt hätte. Ich war noch ein kleines Kind, als er mir einmal seinen geheimen Wunsch verraten hat: „Ich möchte in hundert Jahren für kurze Zeit auf die Erde zurückkehren.“ Wie würde es ihm wohl hier gefallen, nach weniger als 50 Jahren?
Und so stelle ich mir vor, wie er mit frisch geputzten Schuhen wieder in sein Lieblingsrestaurant Zum Mohrenkopf schreitet, beim Fräulein das pikante Zigeunerschnitzel bestellt und zum Kaffee, mit echter Milch natürlich, genüsslich einen Negerkuss verzehrt. Mit seinem verschmitzten Lächeln sagt er: „Euch geht es gut, ihr seid besser dran als wir es waren.“ Er nimmt ein N&N Magazin in die Hand und liest diesen Artikel.
Dieser Artikel erschien in der sechsten Ausgabe des Printmagazins N&N Czech-German Bookmag