Die legendäre Klub A-Trane

Hallo Sedal! Wie bist du überhaupt zur Jazzmusik gekommen?
Ehrlich gesagt, hatte ich bis 1990 von Jazz überhaupt keine Ahnung. Natürlich wurde bei uns zu Hause Musik gehört, ich hatte aber kein tiefergehendes Interesse. Meine Liebe zum Jazz entwickelte sich während eines Urlaubs mit Freunden in der Türkei. Ich erinnere mich, wie wir abends durch die Stadt zogen und ich in der Ferne ein Neonlicht sah. Als wir näher kamen, standen wir vor einem Club mit dem Namen „Bebop”. Damals wusste ich nicht, was das Wort BEBOP bedeutet. An dem Abend traten dort einheimische Musiker auf. Ich war derart von der Musik hingerissen, dass ich das Bier, welches vor mir stand, den ganzen Abend nicht anrührte. Ich hörte mit offenem Mund zu. Das war etwas Neues, völlig Faszinierendes für mich… Nach dem Konzert zog mich der Pianist zur Seite und fragte, ob ich Musikproduzent oder Manager sei. Da habe ich lauthals gelacht und ihm gesagt, dass ich von Jazz überhaupt keine Ahnung habe. Wir kamen ins Gespräch, wurden Freunde und trafen uns in den darauffolgenden Tagen regelmäßig. Wir debattierten über Jazzmusik. Alle Informationen über dieses Musikgenre habe ich wie ein Schwamm aufgesogen. Ich notierte mir die Namen von Jazzlegenden, bahnbrechenden Platten… Nach dem zufälligen Besuch des „Bebop“ begann ich, ausschließlich Jazz zu hören, bildete mich weiter und suchte Informationen. Mein großer Traum war, einen eigenen Jazzclub aufzumachen. Das ist mir ein Jahr später gelungen. Ich eröffnete den Jazzclub „Bebop“ im Berliner Viertel Kreuzberg.

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Fünf Jahre später musstest du den „Bepob“ schweren Herzens schließen. Wie bist du zum Jazzclub A-Trane gekommen?
Nach Schließung des „Bebop“ war ich wirklich sehr unglücklich. Zu der Zeit hatte ich eine türkische Freundin, meine erste große Liebe. Sie achtete sehr auf ihr Äußeres. Ich besaß damals nur einige T-Shirts, ein paar Hosen und meine geliebten Converse-Schuhe. Eines Tages fragte sie mich ernsthaft, was ich sagen würde, wenn sie mich zu einem professionellen Stylisten schickt. Für mich waren die inneren Werte eines Menschen stets wichtiger als das Äußere, aber um meine Freundin nicht zu verärgern, stimmte ich ihrer Idee zu. Sie machte einen Termin bei dem sehr populären Friseur Udo Walz in dessen Salon am Ku’Damm aus. Ich kam schlecht gelaunt dort an und hatte überhaupt keinen Bock auf irgendeine Veränderung meines Aussehens. Und als ich dort so im Sessel hockte, bemerkte ich plötzlich, wie unweit von mir unter der Haube die Gründerin von Jazz Radio Berlin Wilhelmina Steyling sitzt. Sie registrierte mich ebenfalls, sprang auf mich zu und sagte: „Sedal! Schön, dich zu sehen. Ralf Rudolph verlässt seinen Club A-Trane und sucht einen Nachfolger. Hättest du Interesse?” Ich war geschockt. A-Trane…, A-Trane?! Was sollte ich mit einem so großen Club… In dem Moment stand das Styling außen vor. Wilhelmina Steyling gab mir den Kontakt von Ralf Rudolph, ich rief ihn sofort an und wir vereinbarten noch für denselben Tag ein Treffen. Wir trafen uns in einem Lokal gegenüber dem A-Trane. Ralf hatte die Verträge schon vorbereitet. Binnen einer halben Stunde war der Vertrag unterschrieben und hatte ich die Schlüssel in der Hand. Das war im Mai 1992. Der Club war geschlossen, und ich hatte den Sommer über genug Zeit für den Umbau und die Vorbereitung seiner Neueröffnung. Für das Publikum haben wir ihn dann am 11. 09. 1992 eröffnet.

Wie lange dauerte es ungefähr, bis sich das A-Trane einen guten Ruf erwarb und auch für ausländische Musiker interessant wurde?
Anfangs hatte ich natürlich meine Bedenken. Einen ausländischen Musiker einzuladen, ist eine riesige Verantwortung. Eine solide Unterkunft für den Künstler zu organisieren, gute finanzielle Bedingungen usw., ist nicht ohne. Sehr geholfen hat mir der Tour Manager Peter Schilbach (Al Foster) von der Agentur Jazzmap. Er gab so manchen Tipp, vermittelte berufliche Erfahrungen. Mit seiner Hilfe konnte ich im A-Trane ein Konzert des legendären amerikanischen Jazz-Bassisten Cecile McBee veranstalten (nahm für Miles Davis auf, begleitete Dinah Washington usw.). Das Konzert war ein riesiger Erfolg, und mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen. Nur durch Peter habe ich größeres Selbstvertrauen zur Durchführung von Konzerten ausländischer Stars erlangt. Das hat mir sehr geholfen und mich angespornt.

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Was würdest du über die derzeitige Berliner Jazz-Szene sagen? Wie hat sie sich deiner Meinung nach in den letzten Jahren entwickelt? Was siehst du positiv/negativ?
Die Berliner Szene ist wirklich sehr bunt und berühmt für eine große Präsenz experimentaler und avantgardistischer Musik, die zur Improvisation neigt. Hier treffen zahlreiche Stilrichtungen aufeinander. Internationale Jazzmusiker besuchen Berlin gern und betrachten die Stadt als eine der Jazz-Metropolen. Diese Stadt gehört zweifellos zu den wichtigen Orten für die Entwicklung neuer Musikrichtungen, auch auf dem Gebiet der Jazzmusik. Erwähnen möchte ich außerdem die bedeutende Unterstützung der Jazzszene durch Jazz Initiative Berlin, die Union Deutscher Jazzmusiker (www.deutsche-jazzunion.de) und Jazzkollektiv Berlin. Was sie für die Berliner Jazzszene tun und wie sie Jazzmusiker unterstützen, ist bewundernswert.

Wie ist dein Verhältnis zu Prag?
Prag ist eine wunderschöne Stadt. Ich war schon oft in Prag und habe mich sofort verliebt. Vom Prager historischen Zentrum bin ich total fasziniert.

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Meine letzte Frage lautet: Was sind deine Ziele für 2019? Was möchtest du in deinem Club verbessern? Was für Vorsätze hast du?
Im kommenden Jahr würde ich mich gern auf die junge Generation konzentrieren, neue Jazzkünstler und Projekte. Ich möchte dem Berliner Publikum regelmäßig angehende Musiker vorstellen, weil ich weiß, wie wichtig es für einen Künstler beim Karrierestart ist, ein ausreichendes Interesse der Öffentlichkeit und Zuhörer aufzubauen.

Text Martina Bárta Foto Michaela Dzurna

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