Mit Jana Provaznikova darüber, wie Tschechen sich um deutsche Senioren kümmern

🇨🇿 Tento článek si můžete přečíst i v češtině: S Janou Provazníkovou o tom, jak se Češi starají o německé seniory

Kurz nach der Revolution begann ihre Agentur, Dienste für Haushalte anzubieten. Angefangen bei Nachhilfe für Kinder, ihrer Begleitung zu außerschulischen Aktivitäten über das Ausführen von Hunden bis hin zu Putzarbeiten. Sie wollte selbständig arbeiten, weil sie in ihrem bisherigen  Beruf als Lehrerin keine allzu große Erfüllung fand. Und so kopierte sie ihre ersten Werbeplakate mit Werbung, die sie in Prag aufhängte. Das Interesse war sofort groß.  

Wie es der Zufall wollte, zog eine der Familien, die Dienstleistungen ihrer Agentur in Anspruch nahmen, nach Deutschland und wollte das Fräulein, das für sie in der Tschechischen Republik arbeitete, weiter beschäftigen. Das war der Beginn der Au-pair-Aufenthalte, die Jana 1991 als erste Agentur in der damaligen Tschechoslowakei zu vermitteln begann. Heute konzentriert sich Jana weniger auf die Au-pair-­Vermittlung, da die jungen Leute daran gewöhnt sind, sich ihre Arbeit eher selbst zu suchen. „Viele von ihnen kommen weinend dann doch zu uns, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben, die wir natürlich ausschließen können. Dabei geht es um Dinge wie die Versicherung, Taschengeld, Arbeitszeiten usw. Ein paar Kronen für die Vermittlung durch eine Agentur zu sparen, zahlt sich wirklich nicht aus“, bemerkt Jana Provazníková. 

Ihr Augenmerk richtet sie jetzt mehr auf den Pflegedienst, der Arbeitskräfte aus Tschechien und der Slowakei mit Senioren aus Deutschland und auch aus den Niederlanden zusammenbringt. Meistens sind es Frauen zwischen 40 und 60 Jahren, die für solche Arbeiten ins Ausland gehen. Das einzige Problem, auf das sie oft stoßen, ist die Sprachbarriere. Aber irgendwann, so sagt sie, kommen die Pflegenden in der fremden Umgebung dann doch ins Reden.  

Natürlich ist es oft eine körperlich und geistig anstrengende Arbeit, da die Pflegerin mehr oder weniger im Haus der Senioren lebt und sie vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche betreut.  

„Ich habe eine WhatsApp-Gruppe mit etwa einhundertachtzig Pflegekräften und schicke ihnen dort Angebote. Die Zeit und der Wettbewerb sind schnell und erfordern rasche Reaktionen. Im Idealfall muss ich die Stelle bis zum nächsten Tag besetzen“, berichtet Jana. 

Durch ihre Arbeit kann Jana bestens vergleichen, wie tschechische und deutsche Senioren leben. „Deutsche Senioren können mit ihrer Rente verreisen, den Herbsturlaub in warmen Regionen verbringen, weil sie hohe Renten und Sozialleistungen haben. Sie erhalten in der Tat ausreichend Geld, um auch die Kosten für ihr Pflegepersonal decken zu können. Kein Wunder, dass deutsche Rentner in der Regel mehr Eleganz haben, weil sie sich neue Kleidung, Hygiene, Kultur und Restaurants leisten können. Natürlich möchte ich den tschechischen Rentnern nicht zu nahe treten, aber sie haben es wirklich viel schwerer. Sie haben den Totalitarismus erlebt, dann die 1990er Jahre, viel Betrug und am Ende erhalten sie für ihre lebenslange harte Arbeit eine miserable Rente, von der sie kaum leben, geschweige denn in den Urlaub oder zur Kur fahren können“, schildert die Inhaberin der Agentur. 

Für viele Pflegerinnen verändert diese Arbeit ihr Leben. „Nicht wenige von ihnen sind um die Fünfzig ausgebrannt, geschieden, haben schlecht bezahlte Jobs und ihre Kinder sind aus dem Haus. Sie brauchen eine Veränderung und das Gefühl, gebraucht zu werden. In den meisten Fällen kehren sie gut gekleidet und voller Elan in die Tschechische Republik zurück und haben endlich ihr verdientes größeres Geld. Sie sind glücklich, die Familie, für die sie arbeiten, ist es auch, und es hilft dem Sozialsystem in beiden Ländern“, so Jana Provazníková. 

In der Tschechischen Republik ist ein kompletter Pflegedienst nach den geltenden Gesetzen leider nicht möglich. „Ja, man kann mit einem Gewerbeschein als Hauswirtschafterin arbeiten, um alte Menschen kann sich aber nur eine Krankensch­wester kümmern, und keinesfalls vierundzwanzig Stunden am Tag. Ich frage mich, wie ist das möglich, wenn es anderswo in der EU geht? Es würde den Senioren ermöglichen, zu Hause zu leben und nicht in teure Seniorenheime zu gehen, wo zudem lange Wartelisten existieren.  Es würde auch Sozialarbeitern helfen, die mit einer solchen Arbeit oft mehr Geld verdienen könnten, und ausgebrannten Menschen, die sich gern sozial engagieren und nach einer neuer Motivation im Leben suchen. Aber zum Beispiel auch alleinerziehenden Müttern, die nicht in der Lage sind, ihre Miete zu zahlen und noch dazu ihre Kinder versorgen müssen. Sie könnten in einer Wohngemeinschaft mit einem älteren Menschen leben, der sich nicht so allein fühlen würde, und die Frauen müssten keine Miete zahlen, sondern würden sich um den Haushalt und den älteren Menschen kümmern“, meint Jana Provazníková, die sich für eine Änderung dieses Systems in der Tschechischen Republik einsetzen möchte. „Mir geht es vor allem darum, dass die Senioren zu Hause bleiben, in einer Umgebung, an die sie gewöhnt sind und in der sie sich sicher fühlen, damit sich ihre Lebensqualität verbessert, aber auch zum Beispiel das Leben von Frauen in sozialer Not. Das Gefühl, gebraucht zu werden und Lob für die eigene Leistung zu bekommen, ist schließlich für jeden eine Motivation.“

Dieser Artikel erschien in der dritten Ausgabe des Printmagazins N&N Czech-German Bookmag