Ludwig Mies van der Rohe. Quelle: Konsepti.
Mies van der Rohe wurde in Aachen geboren. Dort arbeitete er in der Steinmetzerei seines Vaters und bereitete sich auch auf sein Berufsleben im Bauwesen vor. Er lernte die Grundlagen des Zeichnens und der Arbeit mit dem Mauerwerk. Das half ihm dabei, eine Stelle bei dem Berliner Architekt Bruno Paul zu bekommen. Mit neunzehn Jahren zog er nach Berlin, besuchte gleichzeitig zwei Kunstschulen und schon ein Jahr später bekam er seinen ersten Auftrag.
Im Zentrum der Avantgarde
Am Anfang seiner Karriere entwarf er Gebäude im Stil des Neoklassizismus, hauptsächlich für reiche Privatkunden, denen er herrliche Familienhäuser projektierte. Dann kam aber der Erste Weltkrieg, der nicht nur die ganze Gesellschaft veränderte, sondern auch die Auffassung von Architektur und ihrer Bedeutung.
Berlin, in das Mies nach dem Krieg zurückkehrte, war anders und voll von radikalen politischen sowie künstlerischen Veränderungen. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts war Berlin das Zentrum der europäischen Avantgarde. Nicht nur Architekten fingen an, zu experimentieren und neue Wege zu suchen, wie sie ihr Schaffen erfassen sollten, damit es im Einklang mit der Zeit ist. Als radikaler Architekt setzte sich Mies zum ersten Mal im Jahr 1921 durch, als er den Wettbewerbsentwurf eines in Facetten vollverglasten Hochhauses in der Friedrichstraße vorstellte, zu dem er später in Amerika zurückgekehrt ist. Die Suche nach einem neuen Stil bedeutete für Mies „ein Streben nach absoluter Einfachheit und Reinheit, eine Befreiung von Ornamenten und eine Minimierung der Tragkonstruktion“.
Hochhauses an der Friedrichstraße, Quelle: MoMA.
Aus Barcelona nach Brünn
Diese Prinzipien wandte er zum ersten Mal im Projekt des Deutschen Pavillons für die Weltausstellung in Barcelona im Jahr 1929 an. Den bestellte die damalige Reichsregierung. Der Bau sollte das neue, demokratische, progressive, prosperierende und hauptsächlich pazifistische Deutschland repräsentieren. Im Pavillon zeigte Mies zum ersten Mal in der Praxis den sog. frei fließenden Raum, welcher durch eine Verbindung der Räume, transparente Wände und dünne Stahlstützen (anstatt einer Tragkonstruktion) erreicht wurde. Im Interieur installierte er außerdem eine monumentale Onyxwand, die er dann auch bei der Villa Tugendhat nutzte.
Barcelona-Pavillon. Quelle: moderndesign.com.
Und wie kam es dazu, dass Mies für die Familie Tugendhat arbeitete? Die deutsch-tschechische jüdische Familie hatte natürlich ein nahes Verhältnis zur deutschen Kultur. Grete Tugendhat lebte selbst einige Jahre in Berlin, wo sie Mies’ Arbeit aufmerksam beobachten konnte. Die Wahl des Architekten für den Familiensitz war also klar. Der Bau der ikonischen Villa in Brünn wurde im Jahr 1930 vollendet und im Unterschied zum Barcelona-Pavillon berücksichtigt er die Ansprüche ihrer Bewohner im alltäglichen Familienleben. Aus technischer Sicht wird sie bis heute für ein Meisterwerk gehalten, das jährlich von ungefähr 30 000 Menschen besucht wird. Das Schicksal der Villa wurde natürlich maßgeblich von der Besetzung beeinflusst, als sie von der Gestapo beschlagnahmt wurde und später von der Roten Armee. Trotz großen Kriegsschäden gelang es, die Villa zu retten. Heute steht die Villa Tugendhat auf der Liste des UNESCO-Welterbes.
Villa Tugendhat. Quelle: Zonerama.
Während der letzten Arbeiten an der Villa Tugendhat bekam Mies das Angebot, Direktor der vom Staat unterstützten Kunstschule Bauhaus zu werden. Schon damals war aber die Schule für die neu gewählte NSDAP unerwünscht und ein Jahr später musste sie Mies aus der Stadt Dessau in eine ehemalige Berliner Telefonfabrik verlegen. Dort konnte die Schule jedoch auch nicht lange funktionieren. Im Jahr 1933 wurde sie u. a. wegen einer Gestapo-Razzia definitiv aufgelöst.
Zwischenkriegszeit in Europa versus Nachkriegszeit in den USA
Die Nationalsozialisten bezeichneten den Stil von Mies als „nichtdeutsch“, weshalb er alle Aufträge verlor und im Jahr 1938 gezwungen war, zu emigrieren. Für die USA entschied er sich deswegen, weil er ein Arbeitsangebot in Wyoming bekam. In den USA blieb er dann bis zum Ende seines Lebens. Seine markantesten Bauten findet man in Chicago, wo er an der technischen Universität unterrichtete. Es wurde ihm angeboten, er könne dort den ganzen Universitätscampus neu entwerfen und umbauen. Zu diesen Gebäuden gehört auch Crown Hall, welches eine Reihe von Experten für Mies’ Hauptwerk hält. Seinen für Berlin entworfenen verglasten Wolkenkratzer baute er schließlich in New York. Er benannte ihn Seagram Building und er steht bis heute in Manhattan.
Crown Hall. Foto: Nate Umstead.
Von der Arbeit an mittelgroßen Gebäuden ging Mies in den USA zur Stadtplanung über und dachte sich wiederholbare, industriell hergestellte architektonische Elemente aus. Anstatt privaten Personen und öffentlichen Unternehmen wurden zu seinen Kunden Korporationen, denen es nicht so sehr um die Kunst ging, sondern und die Funktion. Außerdem hörte Mies damit auf, Möbel zu entwerfen, was für ihn in Deutschland noch eine große Einnahmequelle war.
Barcelona-Sessel. Quelle: Barcelona.com.
Das Verständnis von Architektur, zu dem er sich in den 20er Jahren bekannte, verließ er jedoch nicht und entwickelte es weiter. Das bewies er u. a. auch in seinem überhaupt letzten Entwurf – der Berliner Neuen Nationalgalerie. Mies bekam den Auftrag für dieses Projekt im Jahr 1962 und sein Entwurf ist eine Reaktion auf die Berliner Mauer und die negative Atmosphäre der Stadt, welche auf den Architekten nach seiner Rückkehr eine sehr starke Auswirkung hatte. Die Galerie sollte das genaue Gegenteil sein, optimistisch und offen. Das Gebäude wurde im Jahr 1968 fertig, d. h. ein Jahr vor Mies’ Tod. Sein letzter Bau vollendete den Kreis einer großartigen Karriere eines einzigartigen Künstlers, der viele Generationen von Architekten und Designern beeinflusste.