Bohemian Rhapsody von Peter Brandl

Kuratorin Andrea Steckerová beschreibt die bevorstehende Ausstellung von Petr Brandl.

🇨🇿 Tento článek si můžete přečíst i v češtině: Bohemian Rhapsody Petra Brandla

Im Herbst dieses Jahres wurde in der Nationalgalerie in Prag eine lang erwartete Ausstellung eröffnet. Nach mehr als einem halben Jahrhundert wird in der Wallenstein-Reithalle das Werk des „bedeutendsten Barockmalers Böhmens“ präsentiert. Und dieser Meister ist natürlich kein anderer als Petr Brandl, dessen Werke zum Teil einem Vergleich mit Rembrandt standhalten. Im Fokus der Ausstellung wird jedoch nicht nur sein künstlerisches Genie stehen, sondern auch seine fantastische Lebensgeschichte voller Situationen am Rande des Gesetzes.

Schon der Titel der Ausstellung deutet einiges an. Wie die Autorin des Konzepts, Andrea Steckerová,  Kuratorin der Sammlung alter Kunst der Nationalgalerie, zugibt, ist es neben dem außergewöhnlichen Talent gerade die Lebensgeschichte der Person Petr Brandl, die sie fesselt. „Bohème und Rebellion haben mich schon immer fasziniert“, bemerkt Steckerová lachend, die sich seit ihrem Kunstgeschichtsstudium in Olomouc mit dem Maler beschäftigt. Schließlich wissen wir heute wegen seiner Vorliebe für eine ausschweifende Lebensweise und die damit verbundenen Schulden mehr über Brandl als über einige „ehrbare“ Künstler. 

Uns sind lange Listen von Rechnungsposten und Schuldbeträgen überliefert. „Wir wissen deshalb, dass er kanarischen Wein, Puder (d.h. er hat sich selbst gepudert), Bologneser und Florentiner Tabak kaufte (und somit ein leidenschaftlicher Raucher war)“, ergänzt Steckerová. Diese Vorliebe für Luxus brachte ihn letztlich zweimal ins Gefängnis, d.h. Hausarrest, in dem er jedoch hart arbeiten musste, um seine Schulden begleichen zu können. Sein finanzieller Sachverstand ließ nämlich etwas zu wünschen übrig. Für seine Werke  erhielt er nicht gerade geringe Summen, er hatte viele Aufträge, aber starb am Ende in völliger Armut. Aus einer posthumen Bestandsaufnahme der Wohnungseinrichtung wissen wir, dass er tatsächlich nichts besaß.

Brandls Lebensgeschichte beginnt dabei ähnlich wie die vieler anderer Zeitgenossen. Er wurde 1668 als sechstes Kind auf der Prager Kleinseite als Sohn deutsch-tschechischer Eltern geboren, die auf der Suche nach dem Glück vom Lande nach Prag gekommen waren. Sein Vater, Michal Brandl, war deutscher Herkunft und arbeitete auf dem Herrschaftsgut des Grafen Johann Hartwig von Nostitz, dem höchsten Burggrafen des Königreichs Böhmen, was wahrscheinlich dazu beigetragen hat, dass sein künstlerisch begabter Sohn schon früh mit der aristokratischen Klientel in Kontakt kam. Petr Brandls Mutter, Alžběta, geborene Hrbková, stammte dagegen aus einer südböhmischen Bauernfamilie.

Ausstellung von Petr Brandl. Foto: Ivy E. Morwen

„Aber vermutlich war es ihr Bruder, der berühmte Hofgoldschmied Marek Hrbek, der den jungen Brandl an die Kunst heranführte“, so Steckerová. Seine formale Ausbildung erhielt er von Kristian Schröder, der ursprünglich aus Goslar in Deutschland stammte. Er war damals Hofmaler und auch Inspektor der Kaiserlichen Gemäldegalerie auf der Prager Burg. „Dank ihm hatte Brandl Zugang zu Werken von weltweit anerkannten Malern, wie Tizian oder Rubens“, so die Ausstellungskuratorin, dem sie hinzufügte, dass keine Dokumente überliefert sind, die auf Reisen von Brandl ins Ausland hinweisen, um dort Erfahrungen zu sammeln, wie es damals üblich war. Brandl kompensierte die charakteristische „tschechische Verschlossenheit“ durch den Besuch aristokratischer Sammlungen, wo er sein Wissen aus den Werken berühmter Größen schöpfte.

Während Brandl sein Heimatland wohl nie verlassen hat, sind seine Werke jenseits der Grenze zu finden. Und zahlreiche von ihnen befinden sich in Deutschland, zwei in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München und zwei in den Dresdner Sammlungen, die seine Werke erst 1983 erworben haben. Kürzlich wurde zudem entdeckt, dass auch das große Gemälde mit dem Thema des Todes der Maria Magdalena im Kaiserdom St. Bartholomäus in Frankfurt am Main von Brandl stammt. Leider sind heute nicht alle Gemälde in einem guten Zustand und daher nicht für eine Ausleihe geeignet. Natürlich wurden die Exponate, die auf der Ausstellung zu sehen sein werden, fachgerecht restauriert. Einige von ihnen erforderten äußerst aufwändige Verfahren, die Millionen Kronen kosteten.

Noch vor den Vorbereitungen für die Ausstellung erhielt die Nationalgalerie einen Forschungszuschuss, der umfangreiche technologische Forschungen ermöglichte und somit auch die Untermalungen einiger Werke freigelegt werden konnten. Wir wissen ebenso, dass Brandl kaum Vorzeichnungen anfertigte, sondern direkt auf die Leinwand malte und sie dann auf unterschiedliche Art und Weise übermalte und veränderte. Detailliert erforscht wurde auch die Analyse der von Brandl verwendeten Farben, wodurch die Datierung einiger Werke in vielerlei Hinsicht präzisiert werden konnte. 

Teil der Ausstellung und des in Arbeit befindlichen Katalogs werden ebenso Röntgenaufnahmen und Makrofotografien von Brandls Gemälden sein. Ferner werden Bilder zu sehen sein, die erst kürzlich entdeckt und Brandl zugeschrieben wurden – und davon gleich mehrere, verrät Steckerová. Das alles in einem architektonisch so gestalteten Raum, dass der Besucher sich konzentrieren und ein starkes emotionales Erlebnis mitnehmen kann. Unterstreichen sollten dies die Altarbilder, die Brandl vor allem berühmt gemacht haben.

Nach Motiven der faszinierenden Geschichte eines der bestbezahlten Maler seiner Zeit, der starb, als er hinters Wirtshaus zu einem Misthaufen ging, um sein Geschäft zu verrichten, wie es in einigen Geschichten heißt, entstand auch ein Theaterstück. Das Ensemble der Geisslers Hofcomoedianten führt parallel zur Ausstellung das Stück Drei Frauen und ein verliebter Jäger auf. Eines seiner Motive waren übrigens auch die zahlreichen außerehelichen Abenteuer von Brandl. Er und seine Frau hatten ständig Streit und standen sogar kurz vor der Scheidung, was in der damaligen Zeit wirklich Trouble mit sich brachte.

Es geht um eine weitere innovative Annäherung an das Werk eines „nationalen Künstlers“, der Generationen anderer Künstler inspirierte. Die Ausstellung Petr Brandl: Die Geschichte eines Bohemien zeigt also nicht nur ein großes Genie, dessen Werk schon mehrere Jahrhunderte lang fasziniert, sondern auch einen Menschen, dessen Leben dem unseren und unserer Zeit möglicherweise näher war, als wir denken. 

Dieser Artikel erschien in der vierten Ausgabe des Printmagazins N&N Czech-German Bookmag

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