Boeckl und Kokoscha: Eine wahre Rivalität?

Albertina Modern, die sich direkt gegenüber der ikonischen Wiener Jugendstil-U-Bahn-Station Karlsplatz von Otto Wagner und Joseph Maria Olbrich befindet, bringt aktuell in ihren Untergeschoss-Sälen die Schau „Herbert Boeckl – Oskar Kokoschka. Eine Rivalität.“ Darin präsentiert sie rund ein Hundert hochwertige Werke auf Papier aus den Albertina-Beständen.

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Das Leben und Werk des Expressionismus-Gründers Oskar Kokoschka (1886-1980) ist mir seit Langem ein Begriff. Doch die Persönlichkeit und das Schaffen seines Zeitgenossen Herbert Boeckl (1894-1966) kannte ich bis jetzt nur marginal. Umso neugieriger besuchte ich Albertina Modern, die die zwei herauragend österreichische Individualitäten innerhalb einer Doppelausstellung als Rivalen präsentiert. Warum eben die Rivalität zwischen den beiden Malern zum Schwerpunkt wurde, blieb mir verborgen. Genauso wie die Frage, ob die Künstler einander persönlich begegneten und inwieweit sie das Werk des Anderen wahrgenommen haben. 

Oskar Kokoschka
Mädchen mit Halskette, 1930

Die Kuratoren von Albertina Modern stellen dem Grundvater der Moderne, dem Mitglied der Gruppe Brücke Oskar den österreichischen Zeitgenossen Herbert Boeckl gegenüber. Dieser hat seinen Ruhm, im Gegenteil zum Kokoschka, erst nach dem Ersten Weltkrieg erreicht. Während die Stärke von Kokoschka auf seinen frühexpressionistischen Arbeiten für die Wiener Werkstätte beruht, überrascht Boeckl innerhalb der Schau vor allem mit seinem originellen „Anatomischen Skizzenbuch“. 

Kokoschka’s Arbeiten präsentieren vorwiegend Kreidezeichnungen, unter denen „Alma Mahler mit Kind und Tod“, das Portrait von Ruth II (Ruth Landshoff) oder das „Mädchen mit Halskette.“ In der Mehrzahl von Frauen- und Mädchenportraits findet man darin auch ein besonderes Bildnis: Es stellt Kokoschka‘s Förderer dar, den späten Architektenguru Adolf Loos. Die Zeichnung mit Silberstift, der ihm eine zarte Nuancierung ermöglicht und einen metallenen Schimmer verleiht, schuf er 1916. Darin kann man auch die von Adolf Loos handgeschriebene Anmerkung lesen, dass das Bild ihm ähnlicher als er selbst sei. 

Herbert Boeckl
Anatomisches Skizzenbuch, ca. 1930

An zwei großformatigen Fotografien entlang, die die beiden Künstler jeweils in ihren Ateliers zeigen, geht es zu wiederum zu Zeichungen Boeckl’s. Vorwiegend handelt es sich um Kohlzeichnungen von nackten Menschen. Außerdem findet man dort auch Mitglieder seiner zahlreichen Familie: Neben dem Selbstbildnis des Künstlers und dem Portrait von Alexandra (1958) sticht das Großformatgemälde „Donna Gravida“ ins Auge, auf dem der Maler seine hochschwangere Frau Maria darstellt. Das Werk präsentierte Boeckl an der Brüsseler Weltausstellung 1936. Obwohl das Öl bei der Öffentlichkeit in Skandal hervorrief, wurde Boeckl mit dem Leopoldpreis gekürt.

Boeckel‘s Leichname und Kokoschka‘s Garten

Eine besondere Stellung inmitten von Boeckls Schöpfung nimmt das bereits erwähnte „Anatomische Skizzenbuch“ ein. Die Zeichnungen gehen auf den Einfall eines Primararztes des Wiener Kaiser-Franz-Joseph-Spitals von 1931 zurück, der Boeckl dazu aufforderte, inmitten des Seziersaales zu arbeiten. Dort entstand ein Zyklus von Studienzeichnungen, auf denen Boeckl tote Menschen in unterschiedlichen Phasen der Leichenöffnungen darstellt, durch sie er die menschliche Vergänglichkeit thematisiert. Es ist bekannt, dass die Arbeit an der „Anatomie“ ihm einen persönlichen Zugang zur Religion ermöglichte.

Oskar Kokoschka
Stehender Junge, nackt, rechts, 1912

Im Gegenteil dazu widmete sich Oskar Kokoschka besonders an seinem Lebensende, das er im Villeneuve am Genfersee verbrachte, den Schönheiten seines Gartens. Auf seinen Aquarellen stellt er Blüten und Blätter dar, als ob er nach vielen düsteren Lebensjahren  auf dem Papier so viel Schönheit wie möglich auffangen möchte.

Mehr auf www.albertina.at

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