Jan Kolář: Prag ist voller verborgener Prachtstücke

Er studierte Jura in London, analysierte Daten in Berlin und landete schließlich in Prag. Jan Kolář, CEO von Czech Republic Sotheby’s International Realty, verrät die Hintergründe des tschechischen Premium-Immobilienmarktes und sagt: „Wenn ein Ausländer eine Wohnung in Prag kauft, will er in der Regel auch hier leben.“

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Wonach suchen Leute, wenn sie in gehobenem Standard leben wollen? „Eine Lage im Grünen und doch stadtnah, eine großzügige Raumaufteilung und eine Gemeinschaft, mit der sie sich identifizieren können“, sagt Jan Kolář. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist seiner Meinung nach Prag 6. Diejenigen, die hierher ziehen wollen, kennen vor Ort in der Regel jemanden. Finanziell abgesicherte Menschen haben einen ähnlichen Lebensstil und halten zusammen. „Das Problem ist, dass jemand, der hier etwas Einzigartiges besitzt, sich nur ungern davon trennt. Es gibt also nur sehr wenige Möglichkeiten“, so der junge Manager. Das gilt übrigens für den gesamten Premium-Immobilienmarkt. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem. Die Attraktivität bestimmter Gebiete bleibt dabei unverändert. Hanspaulka, Ořechovka, Hradčany. Eine Villa mit einem schönen Garten, von wo aus man das Zentrum und den Flughafen in wenigen Minuten erreichen kann, will kurz und gut jeder. Neue Optionen eröffnen sich Kolář zufolge in Prag 4: „Hier gibt es ebenso auserlesene Immobilien wie in Prag 6, eine ähnlich schöne Umgebung, aber die Gemeinschaft ist noch nicht so geschlossen“, sagt er. 

Er bezieht sich dabei vor allem auf die Stadtviertel Podolí oder Braník. Auch Vinohrady und Trója bleiben im Villensegment beliebt. Mehrstöckige Häuser mit Garten und Garagenplätzen für mehrere Autos in begehrten Lagen liegen im höheren zweistelligen bis dreistelligen Millionenbereich. Und wie verhält es sich mit der Architektur – siegt die Geschichte oder die Moderne? Laut Kolář hängt das rein vom persönlichen Geschmack ab. „Einige Kunden haben ausschließlich historische oder funktionalistische Villen im Visier, andere wollen neue, moderne Entwürfe, bei denen sie alles nach ihren Vorstellungen gestalten können“, äußert Kolář. Ganz oben auf der Nachfrageskala stehen derzeit bezugsfertige Immobilien, die es auf dem Markt so gut wie gar nicht gibt.

Und wie sieht es mit der Preisentwicklung aus? „Wir gehen davon aus, dass sich die Preise in nächster Zeit nicht merklich verändern werden. Es könnte eine leichte Korrektur bei überhöhten Preisen geben und bei Projekten, die Investitionen in Renovierungen erfordern, herrscht ein größerer Verhandlungsdruck, aber von einem generellen Rückgang der Preise in unserem Segment kann man sicher nicht sprechen“, prognostiziert Kolář. Er kennt den gesamten Verkaufsprozess aus erster Hand – vor sieben Jahren wurde er der erste Makler für den tschechischen Markt bei Sotheby’s. Damals wurde das Unternehmen von der Immobilienunternehmerin Ilona Mančíková übernommen, die der Marke, die seit 2008 in Tschechien am Markt ist, neues Leben einhauchte. Hilfreich war dabei auch Kolářs Auslandserfahrung.  „Das juristische Umfeld in London ist hart umkämpft. Man muss den Mandanten einen enorm hohen Standard an Dienstleistungen bieten. Und dasselbe wollte ich hier im Immobilienbereich tun. Das Potenzial der Marke wurde bis 2016 nicht voll ausgeschöpft, und das wollten wir ändern“, erinnert er sich. 

Jan Kolář (*1993) Er lebte bis zu seinem 19. Lebensjahr in Prag. Danach studierte er Jura in London und sammelte seine ersten Berufserfahrungen in Berlin. Nach seiner Rückkehr nach Prag begann er bei Czech Republic Sotheby’s International Realty als Makler zu arbeiten. Seit 2022 leitet er das Büro mit einem Team von 14 Mitarbeitern. Jährlich werden 130 – 150 exklusive Immobilien in das Portfolio aufgenommen.

Welche Art von Service kann also jemand erwarten, der das Beste in Sachen Wohnen will? In erster Linie ist es Einzigartigkeit. Bei Sotheby’s gibt es keine Projekte mit Dutzenden von identischen Wohnungen. Die angebotenen Objekte machen nur einen sehr kleinen Prozentsatz des tschechischen Marktes aus, und es handelt sich immer um etwas Außergewöhnliches. Diskretion und Sicherheit sind ebenfalls wichtige Aspekte. Etwa 15 Prozent der Angebote sind so genannte Off-Market-Angebote, bei denen die Immobilie weder auf der Website noch auf anderen Kanälen von Sotheby’s inseriert wird. Zu den Aktivitäten des Unternehmens gehören auch Veranstaltungen für Kunden in den repräsentativen Büros am Janáček-Ufer. Das helle, minimalistische Interieur mit einer modernen Küche und Designermöbeln erinnert eher an eine elegante Wohnung als an Firmenräume. Die Wände sind mit modernen Werken tschechischer Künstler geschmückt, derzeit mit Bildern von Patrik Kriššák, einem Maler, der experimentelle Maltechniken entwickelt. „Wir wechseln die Ausstellung alle drei bis fünf Monate, denn wir möchten auf diese Weise an die Geschichte der Marke Sotheby’s anknüpfen“, so Kolář.

Die Kunden können sich inspirieren lassen, wie sie die Wände ihrer künftigen Wohnung dekorieren können. Und die Rollen sind vertauscht. Sotheby’s International Realty wurde 1976 als Antwort auf die Tatsache gegründet, dass die Besucher der Sotheby’s-Auktionen, die sich für schöne Gemälde, Skulpturen und Uhren interessieren, auch ähnlich schöne Wohnungen wollen. Die Prager Niederlassung denkt also umgekehrt: durch die Vorauswahl erstklassiger Kunst will sie die Interessenten an Premium-Immobilien davon überzeugen, dass sie ein integraler Bestandteil der Einrichtung ist. Eine ähnliche Argumentation könnte auch für den Möbelsektor gelten, aber im tschechischen Umfeld hapert es da. „In den Vereinigten Staaten beispielsweise haben Innenarchitekten eine ganz andere Beziehung zu Möbelstudios und -lieferanten, wobei die Einrichtung der angebotenen Wohnungen, das sog. Staging, gang und gäbe ist und die Wohnungen entweder mit Möbeln verkauft werden oder nicht“, erklärt Kolář. Amazon-Gründer Jeff Bezos zum Beispiel kaufte ein individuell eingerichtetes Loft mit den besten Stücken von Top-Studios. „Ich habe es im Rahmen eines Besuchs meiner amerikanischen Kollegen gesehen, und die Designerin hat die Wohnung wirklich bis ins letzte Detail mit den qualitativ hochwertigsten Materialien und exklusiven Design-Accessoires eingerichtet“, fügt er hinzu. Gegenseitige Besuche in den jeweiligen Büros sind typisch für Sotheby’s International Realty. Laut Kolář lieben die Amerikaner das sommerliche Prag, weshalb sie in den Ferien immer gern vorbeischauen. „Natürlich sind wir auch mit dem deutschen Büro in Kontakt. Wir haben vor kurzem einen Immobilienverkauf in München vermittelt, und es läuft auch umgekehrt – die Deutschen suchen vor allem Alterswohnungen in Prag“, sagt Kolář. Zusammen mit Amerikanern, Franzosen, Italienern und Briten machen sie etwa zehn Prozent der Kunden aus, der übrige Teil sind Tschechen. Nach den Worten von Kolář ist es ein Mythos, dass Prag von Ausländern aufgekauft wird; viele Wohnungen im Zentrum Prags sind im Besitz von Tschechen. „In unserer Hauptstadt ist die Situation nicht wie in Paris, London oder New York, wo die Leute  Immobilien kaufen, in denen sie nicht das ganze Jahr über leben. Wenn ein Ausländer eine Wohnung in Prag kauft, will er hier in der Regel auch leben“, erklärt der Leiter der tschechischen Niederlassung von Sotheby’s Int. Realty. Und das ist seiner Meinung nach keine schlechte Nachricht, sondern eher ein Beweis dafür, dass Prag ein guter Platz zum Leben ist. Prag ist ruhig, es gibt viel Grün und immer noch genügend unentdeckte Immobilien-Prachtstücke, die darauf warten, dass jemand ihre Geheimnisse lüftet.

Dieser Artikel erschien in der vierten Ausgabe des Printmagazins N&N Czech-German Bookmag

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