Mit Zdeněk Pohlreich über die Köstlichkeiten der deutschen Küche

Sein Name ist ein Synonym für Spitzengastronomie. Zdeněk Pohlreich hat mit seinen Fernsehsendungen die tschechische Sicht auf das Gastgewerbe verändert. Er kann kompromisslos sein, viele mögen nicht seiner Ansicht sein, aber er bleibt sich treu. Mit N&N sprach er darüber, dass die tschechische und deutsche Küche von der amerikanischen und asiatischen Küche überrollt wird. Und dass wir heute leider eine andere Version des Sozialismus ausprobieren.

🇨🇿 Tento článek si můžete přečíst i v češtině: Se Zdeňkem Pohlreichem o lahůdkách německé kuchyně

Zdeněk, Sie sind einer der erfolgreichsten tschechischen Unternehmer im gastronomischen Bereich. Über das Fernsehen haben Sie das tschechische Gastgewerbe um einige Level angehoben. Wenn Sie die tschechische Gastronomie in den 90er Jahren mit der heutigen vergleichen, wohin haben wir uns bewegt?

Die Gastronomie hat sich parallel zum Lebensstandard entwickelt, von der vorsintflutlichen  staatlich geleiteten zur normalen, d. h. zum freien Markt. Die Restaurants von heute haben in der Regel ein klares Konzept und eine klare Vorstellung davon, was sie tun wollen. Darin sehe ich den grundlegenden Unterschied.

Vor vielen Jahren haben Sie in der Schweiz in der Nähe des Bodensees ein Restaurant betrieben. Welche Art von Gästen sind Ihrer Meinung nach deutschsprachige Gäste?

Ich glaube nicht, dass es etwas mit der Sprache zu tun hat. In der Schweiz hatte ich das Gefühl, dass die Leute insbesondere auf Dinge reagieren, die entweder billig oder im Gegenteil sehr teuer sind. Da war es ein bisschen schwierig, sich irgendwo in der Mitte zu bewegen. 

Wenn Sie deutsche Küche sagen, was fällt Ihnen da als erstes ein? 

Wahrscheinlich Currywurst, so blöd das auch klingen mag. Meiner Ansicht nach ähnelt die deutsche Küche dem, was wir hier in der Tschechischen Republik hatten. Meine Mutter hat immer gesagt, dass die Deutschen nicht kochen können, aber das stimmt überhaupt nicht. Auch über England wurde gesagt, dass man dort nicht normal essen kann. Weil die Gastronomie ein so großes Phänomen geworden ist, trifft beides heute nicht mehr zu. Deutschland hat sicherlich viele tolle Restaurants und ist gewiss Teil des weltweiten Aufschwungs der Gastronomie.  

Fahren Sie nach Deutschland, um dort zu essen? 

Ich habe einen Freund, der ein Restaurant unterhalb von Karlsruhe hatte, und ich muss sagen, dass es in dieser Gegend von Baden, speziell im Schwarzwald, großartige Kochkünstler gibt, sie müssen nämlich nur über den Fluss und sind in Frankreich, wo sie herrliche Inspirationen finden. Was ich dort gastronomisch erlebt habe, war wirklich einzigartig. 

Ein großes Problem in der Gastronomie ist der Mangel an Personal. Als ich im Herbst beruflich in Leipzig war, kam es durchaus vor, dass man nachmittags in einem Café von einem Kellner bedient wurde, der einem das Essen ein paar Stunden später in einem nahe gelegenen Restaurant servierte. Es gehen Gerüchte um, dass die gastronomischen Einrichtungen ihre Mitarbeiter aufgrund des Personalmangels je nach Bedarf untereinander austauschen. Wie ist die Situation in der Tschechischen Republik? 

Katastrophal. Wenn ich ein wenig sticheln darf, dann liegt die Ursache für diese ganze Situation in Ländern wie Deutschland. Die klare Linksorientierung der Gesellschaft führt dazu, dass die Arbeit als solche nicht mehr attraktiv ist. Jeder denkt daran, wieder eine Variante des Sozialismus auszuprobieren. In Städten wie Berlin läuft die Wirtschaft auf seltsamen Steroiden, die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist völlig verwischt, und die künstliche Beschäftigung wird aufrechterhalten. Leider werden auch die heutigen Kinder in diesem Stil erzogen, was sich für uns in Zukunft wahrscheinlich nicht  auszahlen wird.

Und wenn wir auf die Tschechische Republik zurückkommen…

In Tschechien sehe ich das Problem in der übermäßigen Verfügbarkeit von Hochschulbildung. Viele Leute glauben, sie könnten ohne Arbeit existieren. Und das ist eine der Ursachen für den katastrophalen Zustand des Gaststättengewerbes. 

Viele deutsche Gastronomiebetriebe lösen das Personalproblem auch dadurch, dass sie um 21 Uhr schließen oder nur vier Tage in der Woche geöffnet haben. Glauben Sie, dass das eine langfristige Lösung ist? 

Das wird hier bereits praktiziert. Natürlich ist das keine Lösung, denn je mehr die Öffnungszeiten gekürzt werden, desto schlechter wird der Umsatz. Es ist eher eine Reaktion auf die entstandene Situation. Das Gaststättengewerbe ist eine Branche, die nicht im Homeoffice funktioniert. Restaurantbesitzer, deren Öffnungszeiten gekürzt oder ganz gestrichen werden, sind verzweifelt, weil die Miete, die sie zahlen, nicht im Verhältnis zu dem sinkt, wie sie in der Lage sind, Personal zu beschaffen oder nicht. Ihre Lage wird immer schlimmer. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass es in der Tschechischen Republik innerhalb von drei Jahren 25 % weniger Restaurants geben wird. In Deutschland wird es sicher nicht anders sein. 

Wie würden Sie einen jungen Menschen dazu bringen, in der Gastronomie zu arbeiten? 

Das ist in erster Linie eine Frage des Schulwesens, aber ich glaube leider, dass es nicht auf dem Weg der viel beschworenen positiven Motivation gehen wird. Wenn man das wirklich verantwortungsbewusst angehen wollte, müsste man meines Erachtens die Zahl der Studienplätze in Branchen oder Studienrichtungen mit fragwürdiger Relevanz begrenzen. So würden die Menschen gezwungen sein, irgendein Handwerk auszuüben. Ich bin mir aber völlig bewusst, dass diese Maßnahme keinen allzu großen Anklang finden wird.

Als Faustregel für den Finanzplan im Gaststättengewerbe galt: 30 % Warenkosten, 30 % Personalaufwand, 20 % Gemeinkosten wie Miete undNebenkosten, 10 % versteckte Kosten. Somit bleibt eine durchschnittliche Marge von etwa 10 %. Gilt das noch bei der derzeitigen Inflationsrate?  

Das muss gelten, denn wir können nicht das dritte Jahr in Folge ein Unternehmen mit Verlust führen. Grundsätzlich gelten einstellige Margen. Der Personalaufwand und die Warenkosten schießen in die Höhe. Obendrein rechne ich damit, dass sich in diesem Jahr einige Steuerquoten ändern werden, und ich befürchte, dass es immer interessanter wird. Somit können wir zum Anfang unseres Gesprächs zurückkommen. Wir wissen nie, wo der Preispunkt liegt, den die Kunden noch akzeptieren werden. Wir können den Preis so lange erhöhen, wie die Leute das Produkt kaufen. Wenn sie es nicht mehr kaufen, können wir die Hälfte des Personals entlassen und versuchen, mit dem Rest zu überleben.        

Vor kurzem haben wir gemeinsam die Dre-h-arbeiten zur Sendung Pohlreichův souboj restaurací (Pohlreich’s Restaurant-Duell) beendet, bei dem die 12 besten Restaurants der Tschechischen Republik in verschiedenen Kategorien gegeneinander antraten. Welche gastronomischen Konzepte haben eine Zukunft? 

Der Bistro-Stil wird absolut auf dem Vormarsch sein, und hochwertiges Fast Food wird sich durchsetzen. Die Restaurants werden liberaler und legerer werden. Das klassische Fine-Dining wird es schwer haben. Die asiatische Küche als solche wird einen enormen Aufschwung erleben. In der Tschechischen Republik, aber auch in Deutschland, erleben wir eine Amerikanisierung dessen, was die Menschen essen, was die jüngere Generation isst, ob es nun ein Hamburger oder Tex-Mex ist. Hand in Hand damit gehen die bereits erwähnten asiatischen Restaurants, was darauf zurückzuführen ist, dass die Asiaten ein anderes Verhältnis zur Arbeit haben als wir.

Was isst Zdeněk Pohlreich zu Hause?

Ich setze mich zu Hause sicher nicht zu einem Drei-Gänge-Menü hin. Im Grunde essen wir einfache Dinge aus hochwertigen Zutaten. Am häufigsten praktizieren wir die mediterrane Küche, Nudeln, Salat, Fisch. Klassische tschechische Gerichte oder langwierige und komplizierte Gerichte essen wir selten.

Dieser Artikel erschien in der vierten Ausgabe des Printmagazins N&N Czech-German Bookmag

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