“Baronin” Zuzana Pavlík Šimonková: Wie man Tausende von Hektar Wald pflegt

Ein Drittel der Fläche der Tschechischen Republik ist von Wald bedeckt. Und es gäbe keine Wälder ohne ihre Verwalter. Oder Verwalterinnen. Zuzana Pavlík Šimonková kümmert sich um zweitausend Hektar Waldbestand in der Region Kokořín, der zum historischen Familienbesitz gehört. Den Grundstein dafür legte ihr Urgroßvater Josef Šimonek, in der Ersten Republik Präsident der Škoda-Werke Plzeň.

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Hätte Präsident Masaryk Ende 1918 die Adelstitel nicht abgeschafft, wäre es angemessen gewesen, Zuzana Šimonková, Frau Baronin zu nennen. Ihr Urgroßvater wurde nämlich vom letzten österreichischen Kaiser und tschechischen König Karl I. für seine Verdienste um die Entwicklung der Industrie in den Freiherrenstand erhoben. Es war einer der letzten Titel, die der Kaiser vergeben konnte. Als Baron festigte Josef Šimonek seinen Status durch den Kauf von Liegenschaften, namentlich der Schlösser Lobeč und Stránov sowie der Burg Houska. Neben ihrer Instandhaltung und der Pflege des Waldes ist die Ökonomin und Agrarunternehmerin Zuzana Pavlík Šimonková auch noch für die Felder zuständig. „Es ist eine große Verantwortung, den Familienbesitz zu erhalten“, sagte sie während des Gesprächs, das wir in Lobeč führten.

Hat es Ihnen in Ihrem Leben manchmal geholfen, aus einer adligen Familie zu stammen? 

Wir zählen uns nicht zu den klassischen alten Adelsfamilien. Ich habe zwar Freunde aus dem Adel, aber das war‘s auch schon. Meine Abstammung sehe ich vor allem darin, dass ich jetzt an der Reihe bin, mich um den Familiennachlass zu kümmern. 

Dazu gehören auch die Wälder. Was bedeutet es eigentlich, einen Wald zu pflegen?  

Das hängt davon ab, wieviel Wald Sie haben und welches Ziel Sie sich setzen. Für mich ist es wichtig, ihn für künftige Generationen zu erhalten. Genauso wie ihn  mein Vater an mich weitergegeben hat. Unser Wald ist hauptsächlich ein Wirtschaftswald. Das heißt, wir ernten und verkaufen Holz. Auf dem abgeholzten Abschnitt entsteht eine Kahlfläche, die wieder aufgeforstet werden muss, um den Wald zu erhalten. Doch vorher müssen wir den Kahlschlag räumen, den Boden umgraben, neue Bäume pflanzen und dann beten, dass es regnet. In den meisten Fällen müssen wir die Lichtung auch einzäunen, damit sie nicht von Tieren zerstört wird. Wir müssen die Vegetation etwa sieben Jahre lang auf diese Weise schützen.

Die Bezeichnung Kindergarten ist also nicht ganz fehl am Platz.

Ist es nicht. Wir führen auch sogenannte Erziehungsmaßnahmen durch, wie das Zurückschneiden, um Platz für die Bäume zu schaffen, die eine Überlebenschance haben. Ich pflanze einen Wald für meine Urenkel, also muss ich dafür sorgen, dass meine Nachkommen eines Tages nicht sagen: die Urgroßmutter hat völlig den Verstand verloren. Es ist eine langfristige Angelegenheit und es liegt nicht in meinem Interesse, nur Nussbäume, Ebereschen und Erlen zu pflanzen. Deshalb lehne ich Fichtenholz nicht ab, auch wenn das heute nicht die gängige Meinung ist. Ich denke einfach, dass sie für einige Standorte sehr gut geeignet ist und außerdem eine gute Qualität hat. Ich bin nicht für Fichtenmonokulturen, aber ansonsten würde ich auf diesen Baum im Wald nicht verzichten. 

Wissen Sie, wie der Wald aussah, den Ihre Vorfahren erworben haben? 

Ganz genau. Denn ich ernte heute den Wald, den mein Urgroßvater vor hundert Jahren gepflanzt hat. Ich weiß also ziemlich genau, wie die Kultur hier war. Um genau zu sein, wir haben eine Mischung aus Fichte, Kiefer, Buche und in einigen der Lokalitäten wachsen Lärchen und Eichen. Ich versuche, diese Vielfalt beizubehalten, was sich jetzt übrigens bewährt. Außerdem haben wir genau die Art von Wald, die in die hiesige Landschaft passt. 

Wenn Sie an eine neue Generation von Bäumen denken, berücksichtigen Sie dann die Tatsache, dass es eines Tages vielleicht nicht mehr so viel Feuchtigkeit gibt wie früher?

Ein Mischwald bewältigt Veränderungen besser als eine Monokultur. Sicher, ohne Wasser können wir keine Bäume pflanzen. Im Moment ist das nicht der Fall, und ich kann einen Baum oder eine Pflanze wählen, die weniger Feuchtigkeit braucht. Jetzt ist die Situation insofern extrem, dass der Borkenkäfer mehrere Hektar Lichtungen geschaffen hat, auf die die Sonne nur so niederprasselt und auf denen nichts angebaut werden kann, weil sie trocken sind. Andererseits kann ich keine Bäume stehen lassen, nur um den Boden zu beschatten. Das würde die absolute Entwertung der Ware bedeuten, die Zerstörung der Arbeit meiner Vorfahren. Und ich bin wieder bei der Langfristigkeit angelangt. Bezogen auf den Wald gibt es für mich eigentlich nur eine Aufgabe – ihn nicht zu sehr zu verunstalten, damit ich das Vermögen in zwanzig Jahren an den nächsten in der Reihe weitergeben kann. 

Gibt es in der Forstwirtschaft ähnliche Trends wie zum Beispiel im Gartenbau?

Ich versuche natürlich, mich im Wald ökologisch zu verhalten, aber anders als die Beamten sehe ich die Dinge auch im Zusammenhang. Besonders zeigt sich das auf den Feldern, wo die agroökologischen Maßnahmen, die wir auf der Grundlage von EU-Vereinbarungen einhalten müssen, die Natur letztlich wenig schützen. Ein weiterer Trend ist die absolute Zugänglichkeit für Besucher. Ich habe nichts gegen die Nutzung des Waldes zu Erholungszwecken. Aber es sollten die Wälder sein, die dafür geeignet sind. 

Können Sie die Besucherzahl in Ihren Wäldern überhaupt regulieren, bzw. den Zutritt an bestimmten Orten verbieten?

Kaum. Die tschechische Gesetzgebung ist gegenüber Besuchern sehr großherzig, wenn es um die Forstwirtschaft geht. Ich möchte weder Einschränkungen noch Verbote für das Betreten des Waldes. Aber ich wünsche mir, dass sich alle Besucher so verhalten, als ob der Wald ihr eigener wäre. Das würde mir schon genügen, denn dann würde ich auf einem kleinen Pfad sicher nicht auf ein Vierrad treffen, das nicht nur den Pfad zerstört, sondern auch die Tierwelt stört. Das gehört einfach nicht in den Wald.  

Kehren wir noch einmal zu den Trends zurück. Gibt es auch einen Trend bei den Baumarten, die gepflanzt werden?

Fichte zum Beispiel ist derzeit fast ein Schimpfwort. Das liegt am Borkenkäfer, aber diese Kalamität hat mehr Gründe als nur die Tatsache, dass die Fichte im Flachland angepflanzt und nicht mit anderen Arten kombiniert wurde. Selbst die Experten sind sich nicht einig, was die Katastrophe verursacht hat. Der Borkenkäfer war hier schon immer, aber ob es die schlechte Pflege zu Beginn seiner Ausbreitung war, ob es das Holzeinschlagsystem der Großeigentümer war oder ob es die ökologischen Maßnahmen in Südböhmen vor fünfzehn Jahren waren ist bis jetzt unklar.

Wir Laien haben das Wort Borkenkäfer wohl zum ersten Mal wahrgenommen, als Umweltaktivisten im Böhmerwald sich an befallene Bäume, die gefällt werden sollten, ketteten. 

Es wurde nicht rechtzeitig eingegriffen, und so breitete sich der Borkenkäfer allmählich von Süden nach Norden aus.  Der Wald ist wegen der Dürre auch nicht stark genug, um sich zu verteidigen, was er ansonsten aber kann. Wenn ein Baum von einem Borkenkäfer befallen wird, sondert er Harz in seine Gänge ab, um ihn zu töten.  Aber dazu muss er gesund sein.

Was ist eine Jagd für eine Waldbesitzerin?

Ich selbst bin keine große Jägerin, aber ich mag die Atmosphäre der Jagd. Es ist eine gesellschaftliche Angelegenheit, ein Dankeschön an Freunde, Geschäftspartner, man trifft sich, hat Zeit zum Reden. Es ist alles irgendwie festlich, zumindest wird es hier so gehalten. 

Mit der Jagd verbindet man Fasane und Wachteln, aber beide sind in der Landschaft kaum noch zu sehen. Was ist mit ihnen geschehen?  

Es ist eine Frage der Entwicklung, der Wirtschaft, nicht nur im Wald, sondern auch in der Landwirtschaft. Wir haben in der Vergangenheit nicht immer die richtigen Schritte unternommen. So sind zum Beispiel die Schutzpflanzungen zwischen den Feldern, in denen die Tiere Zuflucht fanden, fast aus der tschechischen Landschaft verschwunden. Die Landwirte setzten zudem weniger Maschinen ein, die Felder waren kleiner, und all dies war gut für das Niederwild. Rebhühner, Fasane und Hasen waren in den Wäldern reichlich vorhanden und wurden noch in den 1950er und 1960er Jahren häufig gejagt. In unserem Familienbuch finden sich Einträge wie der, dass am ersten Weihnachtstag eine Hasen- und Fasanenjagd stattfand, bei der dreißig Hasen, zwanzig Fasane und einige Rebhühner erlegt wurden. Heute kommen die Fasanen, die wir jagen, aus der Fasanerie.

Sie organisieren die Jagden selbst, wie lange dauert es, ein solches Ereignis vorzubereiten? 

Die Vorbereitung an sich dauert in der Regel ein, zwei Tage. Die Jagd beginnt mit dem Treffen der Gäste und einem kleinen Imbiss mit Strudel und heißer Suppe. Wir überprüfen die Dokumente, um sicherzustellen, dass jeder einen Jagdschein, eine Versicherung usw. hat. Darauf folgt das feierliche Eröffnungsblasen. Übrigens sind Waldhörner bei der Jagd eine sehr schöne tschechische Tradition, die unsere Freunde aus Deutschland und Österreich bewundern.

Dieser Artikel erschien im Printmagazin N&N Czech-German Bookmag

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